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Wie schnell aus einem Jux bitterer Ernst werden kann, muss der Student James Falcon anno 1943 feststellen, nachdem seine - eigentlich aus Spaß verfasste - Examensarbeit über rumänische Vampirmythen ausgerechnet in die Hände des US-Geheimdienstes fällt und dieser auch prompt James um seine Mithilfe bittet. Nach einem Crashkurs in Sachen Vampirbekämpfung und militärischem Training geht es für James gen Europa, wo Blutsauger die Wirren und Schrecken des Krieges für ihre eigenen Zwecke missbrauchen und in den Ruinen und Trümmern nach Opfern suchen.
Gemeinsam mit seinem Partner, Corporal Henry Little, und dem Bluthund Frank nimmt James die Spur auf - und wird auch schon sehr bald fündig. Allerdings übersteigt die Vorgehensweise der Vampire in puncto Brutalität JamesÂ’ Befürchtungen bei weitem. Und ganz offensichtlich handeln die albtraumhaften Kreaturen keineswegs planlos, sondern nach den Befehlen ihres Anführers Duca. Diesen und seine Sippe verfolgt James bis nach Antwerpen, doch bevor er beide stellen kann, kommt ihm ausgerechnet eine deutsche V2-Rakete zuvor.
Siebzehn Jahre später hat James eigentlich mit dieser grauenhaften Episode seines Lebens abgeschlossen, als unerwarteterweise der Geheimdienst ein zweites Mal bei ihm vorstellig wird. Denn ganz offensichtlich ist Duca nicht durch die Rakete vernichtet, sondern vielmehr in einer Nacht- und Nebelaktion außer Landes geflogen worden. Doch die Maschine erreichte niemals ihr Ziel, stürzte ab und gilt seitdem als vermisst. Bis der Zufall sie schließlich wieder ans Tagelicht brachte - und Ducas Sarg versehentlich geöffnet wurde. Und so bleibt James - auch wenn sich alles in ihm dagegen sträubt - keine andere Wahl; er hat den Job angefangen, also muss er ihn jetzt auch zu Ende bringen. Und so macht er sich auf gen London, wo Duca bereits die ersten Opfer zurückgelassen hat ...
Vielschreiber Masterton hat in seiner über dreißig Jahre währenden schriftstellerischen Karriere praktisch jeden Aspekt der Horrorliteratur mehr oder weniger als Inhalt seiner zahlreichen Werke verwendet - nur das Thema "Vampire" wurde stets etwas stiefmütterlich behandelt. Mit "Bluterbe" wetzt der Brite jetzt allerdings diese Scharte aus. Gekonnt und routiniert setzt sich Masterton mit dem Mythos der aus der transsylvanischen Folklore stammenden Strigoi auseinander - und man merkt sehr schnell, dass der Autor dieses Thema nicht nur oberflächlich, sondern wirklich gewissenhaft recherchiert hat. Der düstere Hintergrund des Zweiten Weltkrieges beziehungsweise des Nachkriegslondons heben sich erfrischend vom Setting anderer, ähnlich gearteter Werke ab und sorgen zusammen mit dem rasanten Schreibstil für spannende, temporeiche Unterhaltung. Doch zartbesaitete Gemüter seien vorgewarnt! Stellenweise ist "Bluterbe" ein unglaublich brutaler Roman geworden, der es durchaus mit heftigen Splatterfilmen aufnehmen kann. Ein Aspekt, für den Graham Masterton übrigens ebenfalls berüchtigt ist.
Im Grunde kann man also von einem gelungenen Roman sprechen, der mit vielem aufwarten kann, was Vampirfans von ihrem Lesestoff verlangen (und sogar noch einigem mehr), gäbe es da nicht einen großen Schwachpunkt zu vermerken, der auch noch ausgerechnet in Form des Antagonisten daherkommt. Dorin Duca, der "Übervampir", lässt sich einerseits sehr viel Zeit bis zu seinem Auftritt, andererseits wirkt er doch sehr klischeehaft und gar nicht so brandgefährlich wie angenommen. Sehr schade - immerhin hat Masterton mit dem Erzähler James Falkon einen wirklich dreidimensionalen Protagonisten erschaffen, der dem Leser sehr schnell sympathisch wird. Deshalb verfehlt "Bluterbe" auch haarscharf die Höchstnote. Trotzdem: ein lohnenswerter Roman!