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Wenn ein in Deutschland gedrehter und produzierter Film den Silbernen Bären der Filmfestspiele von Locarno gewinnt und dennoch hierzulande für die Kinoauswertung keinen Verleih findet, deutet das nicht gerade auf Massentauglichkeit hin. Der Film wurde schließlich von Regisseur Yilmaz Arslan im Eigenverleih mit fünf (!!) Kopien in die Kinos gebracht und ist nun dank der DVD-Veröffentlichung von Alamode Film endlich einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich.
"Brudermord" erzählt die Geschichte des jungen Kurden Azad (Erdal Celik), der durch die Zuhälterkarriere seines Bruders Semo (Nurettin Celik) die Möglichkeit bekommt, seine ländliche Heimat zu verlassen und nach Deutschland zu kommen. Hier lernt er in einer Asylantenunterkunft den 12-jährigen Ibo (Xewat Gectan) kennen und freundet sich mit ihm an. Sein Versuch, ein ehrliches Leben zu führen, wird in Frage gestellt, als er den Konflikt zwischen Kurden und Türken am eigenen Leibe zu spüren bekommt. Ein scheinbar bedeutungsloser Streit unter Männern setzt einen Kreislauf der Gewalt und Gegengewalt in Gang, dem sich Azad und Ibo nicht entziehen können. Während um die ungleichen Freunde herum Hass und Aggression eskalieren, bleibt Azad keine andere Wahl, als selbst zur Waffe zu greifen oder das Weite zu suchen
Ein Kommentar gleich vorweg: Massentauglich ist "Brudermord" wirklich nicht. Es ist ein unangenehmer Film, der zartbesaiteten Gemütern schwer auf den Magen schlagen und jeden Videoabend in Grabesstimmung versetzen dürfte. Das erklärt, warum die Reaktionen auf den Film so unterschiedlich sind und von großem Lob bis zu tiefster Ablehnung schwanken. Das reißerisch angehauchte Cover trägt auch dazu bei, dass der Anspruch des Films unterschätzt wird. Um es ganz klar zu sagen: "Brudermord" ist kein Actionkracher, sondern ein höchst brisantes Drama, das von einem Unterhaltungsfilm weiter nicht entfernt sein könnte. Der in der Türkei geborene Regisseur Yilmaz Arslan erzählt eine Geschichte über den Strudel der Gewalt, aus dem Menschen, wenn sie sich zu weit hineinziehen lassen, nicht mehr entkommen können. Dabei geht es ihm nicht um die jahrhundertealte Feindschaft zwischen Türken und Kurden, sondern darum, welche Auswirkungen der blinde Hass auf das Leben der Betroffenen haben kann. Schonungslos, brutal und schmerzhaft konsequent zeigt der mit Laiendarstellern gedrehte Film, wie scheinbar unwichtige, beinahe zufällige Zahnrädchen sich in Bewegung setzen, ineinander greifen und einen Mechanismus mit unvorhersehbaren Folgen verursachen. Arslan ergötzt sich nicht an grafischen Gewaltdarstellungen, lässt die Kamera aber gerade so lange auf dem Geschehen ruhen, dass die drastischen Bilder verstörend nachhallen. "Brudermord" nimmt keine klare Position ein und bezieht weder für die Türken noch für die Kurden Stellung, sondern bleibt - wie sein Hauptdarsteller Erdal Celik - ein Wanderer zwischen den Welten. Auch verwehrt Arslan den Zuschauern jeglichen Lösungsvorschlag und lässt die Katastrophe ruhig, fast schicksalhaft vergehen. Damit entwirft er ein depressives Bild unserer Gesellschaft, in der die deutsche Bevölkerung hilflos zusieht und in der Vereinigungen der verfeindeten ethnischen Gruppen den irrationalen Hass nur noch weiter schüren. Letztlich ist "Brudermord" ein wütender, verzweifelter Ruf nach Beachtung in einer gescheiterten multikulturellen Gesellschaft.
Die DVD von Alamode Film ist schön aufgemacht und präsentiert "Brudermord" in einer würdigen Optik, wenngleich das Coverdesign vielleicht eine andere Art von Film suggeriert. Die Qualität der DVD ist für einen Independent-Film angemessen und gut - echte Heimkinofans sollten von dem leicht gekörnten Bild und dem Stereo-Ton jedoch keine Wunder erwarten. Die Extras sind informativ, aber nicht reichhaltig.
Fazit: Die Welt der Migranten jenseits des blitzsauberen Integrationsgipfels - ein anspruchsvoller, harter Film über den Verlust der Menschlichkeit im urbanen Deutschland.