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Als der Student James Walker nach Cambridge kommt, findet er zunächst keinen rechten Anschluss. Durch einen glücklichen Zufall und cleveres Taktieren seinerseits erlangt er aber schließlich Einlass in eine privilegierte Gruppe junger Studenten, deren Mittelpunkt der charismatische Francis ist. "Die Nachtgänger", wie Francis, Jessica, Lisa und Michael sich nennen, testen ihre Grenzen in abenteuerlichen und natürlich illegalen nächtlichen Klettertouren an den Gebäuden der Stadt. Die Gefahr des Kletterns und die Gefahr des Entdecktwerdens vermischen sich zu einem Rausch, den sie gemeinsam erleben und durch den sie sich frei fühlen.
James, von Haus aus nicht vermögend, fühlt sich bald akzeptiert und aufgenommen, nimmt an den Abenteuern teil und gewöhnt sich an den neuen Hauch von Exzentrik und Reichtum in seinem Leben. Finanziert wird der Lebensstil der Nachtgänger hauptsächlich durch Francis, der von seinem Vater, einem Lord im britischen Oberhaus, jeden Monat eine beträchtliche Geldsumme erhält. Doch eines Tages dreht der Vater den Geldhahn zu, die Eskapaden haben ein Ende - doch Francis hat einen wagemutigen Plan, wie sie dennoch an Geld kommen können: Ein wertvolles Gemälde soll gestohlen und durch eine Fälschung ersetzt, das Original verkauft werden.
Viele Jahre später, James Walker ist inzwischen ein erfolgreicher Anwalt, werden die einstigen Studenten von ihrer Vergangenheit und den Konsequenzen ihres Handelns eingeholt...
Ivo Stourton beschreibt in seinem Debüt "Die Nachtgänger" das Leben an der Elite-Universität Cambridge; der junge Autor ist selbst Cambridge-Absolvent und hat damit Erfahrungen aus erster Hand. Alles liest sich zunächst als locker-leichter Adoleszenz-Roman: Ein normaler Jugendlicher genießt die neue Erfahrung, reiche und charismatische Freunde zu haben und Abenteuer zu erleben, die gegen die gesellschaftlichen Konventionen verstoßen.
Dabei ist James als leicht gehemmter Ich-Erzähler zwar grundsätzlich sympathisch, aber seine hündische Bewunderung für Francis nervt nach einigen Seiten doch ziemlich. Denn dieser Francis ist einfach etwas zu viel des Guten - er ist gutaussehend, großzügig, mutig, witzig, spontan, begabt, intelligent ... auch wenn dieses Bild später im Buch noch kippt. Das Wunderkind wird vom Autor durch seine Rolle als Anführer-Figur andauernd in den Mittelgrund gerückt, wobei stets erkennbar ist, wie sehr James den Freund bewundert und beneidet, wenn auch bisweilen leichter Tadel über seine Verschwendungssucht und seinen Leichtsinn angedeutet wird.
Natürlich geht es dieser Story nicht nur um die nächtlichen Kletterausflüge, Collegeparties und sonstige Ereignisse, die sich an solchen britischen Elite-Unis zutragen, sondern bald um mehr: den Diebstahl und die Fälschung eines echten Picassos. Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen für die Beteiligten, und hier ziehen Spannung und Dramatik des Romans auch endlich deutlich an. Die Nachtgänger müssen erkennen: Die Unbeschwertheit der Jugend - sie endet zwangsläufig irgendwann.
Die Geschichte steht mit diesen Handlungselementen auf etwas wackeligen Füßen: illegale Kletterausflüge bei Nacht? Geheime Studenten-Grüppchen? Kennt man schon, auch wenn diese Beschreibungen auf wahren Begebenheiten beruhen. Der kriminelle Akt des Bilderfälschens und seine Folgen können einen als Leser dann auch nicht so wirklich vom Hocker reißen. Der Schreibstil von "Die Nachtgänger" ist aber durchgängig angenehm, gut zu lesen und mitreißend, bisweilen allerdings ein wenig übertrieben, denn Stourton bedient sich äußerst gern verschiedenster Metaphern, von denen einige sehr gelungen sind, andere fehl am Platze wirken.
Fazit: Ist man ein wenig so wie der Protagonist James, kann man mit offenem Mund staunen über die unterhaltsame Welt, die sich vor einem auftut und zu der man vielleicht auch gerne Zugang hätte. Der Schreibstil ist vergnüglich und flott, das Buch liest sich rasch. Wer sich aber nicht für verspätetes Coming-of-Age, College-Anekdoten und den dazugehörigen Mikrokosmos des Campus interessiert, der könnte sich bei der Lektüre durchaus langweilen. Bei Licht betrachtet ist das Grüppchen der hier beschriebenen Nachtgänger doch ziemlich oberflächlich und dekadent - und taugt damit nicht ganz als Handlungsträger.