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Sie ist ein gigantisches Bauwerk von über sechstausend Kilometern Länge und galt lange als das einzige Zeugnis menschlicher Bautätigkeit, das man vom Weltraum aus sehen könne: die Chinesische Mauer.
Der National-Geographic-Fotograf Michael Yamashita hat die Mauer für dieses Buch von ihrem Anfang am Meer bis zum Ende weit im Innern des asiatischen Kontinents, in der Taklamakan-Wüste, besucht, Eindrücke gesammelt - und natürlich fotografiert.
Im Vorwort schildert er, wie er zu diesem Auftrag kam. Der Co-Autor William Lindesay, Gründer der Organisation "International Friends of the Wall", erläutert in der Einleitung, warum die Mauer ihn seit Jahrzehnten fasziniert, und wie das Buch entstand.
Die Kapitel des Buchs richten sich nach den von Yamashita bereisten Abschnitten der Chinesischen Mauer. Von Ost nach West handelt es sich dabei um folgende Regionen: die Grenze zu Nordkorea, Shanhaiguan, Panjiakou und Huangyaguan, Peking (mit dem für die Touristen am besten restaurierten Abschnitt der Mauer), die wilde Mauer, die Innere Mongolei, das Löss-Plateau und das Becken des Gelben Flusses sowie den Westen und die oben genannte Wüste.
In jedem dieser Kapitel ist ein farbig unterlegter, mehrseitiger Text über einen zeitlichen Abschnitt des Mauerbaus und die damit verbundene politische und kulturelle Entwicklung enthalten. Es geht darin (die Reihenfolge entspricht jener im Buch) um folgende Themen: die Anfänge des Mauerbaus, die Sui-Dynastie, die nördliche Qi-Dynastie, den aktuellen Zustand der Ming-Mauer (im Kapitel über Peking), die frühe Ming-Dynastie, die Qin-Dynastie, die spätere Ming-Dynastie und die frühe Han-Dynastie. Der Leser muss sich allerdings keineswegs unbedingt mit chinesischer Geschichte befasst haben; er lernt die Dynastien im gesamtgeschichtlichen Zusammenhang während der Lektüre kennen.
In diesem prächtigen Bildband geht es nicht nur um die Chinesische Mauer als ein Bauwerk, das heute hauptsächlich als Touristenattraktion bekannt ist und früher eine, freilich nicht allzu effektive, Verteidigungsanlage darstellte. Der Fotograf und Autor möchte die Einbindung der Mauer in das alltägliche Leben der Menschen früher und heute darstellen, und das gelingt ihm anhand seiner Fotos und Texte sehr anschaulich.
Während die bereits erwähnten, am Ende der Kapitel befindlichen Einschübe zur Geschichte in Sachbuchmanier recht kompakt verfasst sind und nur wenige Illustrationen enthalten, darunter Porträts der wichtigsten Herrscher aus den beschriebenen Epochen, erfüllen die eigentlichen Kapiteltexte mehrere Funktionen. Zum einen bieten sie natürlich Informationen zu den Fotos, die über die kurzen Erläuterungen unmittelbar neben den Fotos hinausgehen und eine persönlichere, subjektivere Färbung haben, zum anderen dienen sie als sehr lebendige Reisebeschreibung, in der Land und Leute lebendig werden. Der Fotograf wagt schon einmal einen lebensgefährlichen Ausflug auf den chinesisch-nordkoreanischen Grenzfluss Yalu, er besucht Hochzeiten und religiöse Feiern, spricht mit Fischern und einfachen Bauern. Allerlei Geschichtliches, vor allem aus dem 20. Jahrhundert, kann man den Texten ebenfalls immer wieder entnehmen, und die aktuelle chinesische Politik spielt natürlich gleichfalls eine Rolle. Zudem erzählt Yamashita von den Herausforderungen, mit denen er sich beim Fotografieren konfrontiert sah.
Die Fotos sind von der außergewöhnlichen Qualität, die man von einem National-Geographic-Fotografen erwartet, sowohl hinsichtlich der Auswahl der Motive als auch aus technischer Sicht; einige wirken im Abdruck allerdings etwas pixelig. Motive und Bildkomposition überraschen immer wieder: Neben imposanten Landschaftsaufnahmen mit der hineingeschmiegten Mauer findet man Bauern bei der Arbeit, Schafe, die durch Mauerdurchbrüche getrieben werden, so genannte, in die Mauer gebaute Höhlenhäuser, Chinesen und Angehörige von Minderheiten bei farbenprächtigen Festen, Touristen auf der Mauer, Läufer an der brutalsten Stelle des seit 2000 stattfindenden Mauer-Marathons und vieles mehr. Der Fotograf spielt mit Licht und Farben und vermittelt eine Vielzahl von Eindrücken, die wiederum dem Leser und Betrachter eine Idee vom abwechslungsreichen Charakter der Mauer und ihrer Umgebung schenken.
Wenngleich die meisten Fotos ästhetisch sind, scheut Yamashita nicht davor zurück, auch Umweltprobleme in Bild und Text zu dokumentieren. Zugleich zeigt er Chancen auf. Daher erhält der Leser eine sehr differenzierte Darstellung von Geschichte und Gegenwart eines wahren Weltwunders.
Ob man China-"Fan" ist, einen Besuch des Landes plant oder sich auf unkonventionelle Weise über das imposante Bauwerk im Herzen Chinas informieren möchte: dieser Bild- und Sachband bietet für jeden etwas - und das in sehr guter Qualität.