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 Die Sonne und der Mond

Autoren: Jae-chan Song
Illustratoren: Jong-mi Lee
Verlag: Kinderbuchverlag Wolff

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Zwar ist ihr nicht wohl bei dem Gedanken, ihre beiden Kinder alleine zu lassen, doch muss die Mutter für einen Tag im Nachbardorf aushelfen. Nach dem großen Fest läuft sie so schnell wie möglich nach Hause. Doch auf halbem Wege lauert ihr ein Tiger auf. Sie fleht um Gnade und wird wider Erwarten gegen einen Reiskuchen von der Bestie verschont. Doch nur eine Wegbiegung weiter steht ihr der Tiger erneut gegenüber. Wieder lässt er für einen Reiskuchen von ihr ab. Dies wiederholt sich mehrere Male und schon glaubt die Frau, sie könne entkommen, da verlangt der Tiger abermals einen Reiskuchen. Doch sie kann ihm keinen mehr geben. Da frisst das Tier die Frau mit Haut und Haar.
Weil er aber erfahren hat, dass die Kinder der Frau zu Hause auf die Mutter warten, ersinnt er eine List. Er zieht das Kleid der Frau an und schleicht sich zum Haus der Kinder. Er bittet um Einlass, stößt aber auf das Misstrauen des Jungen. Dieser glaubt den Beteuerungen des Tigers nicht, seine Mutter zu sein, und will die Tür nicht öffnen. Doch der Tiger ist schlau und ersinnt immer wieder eine Ausrede, warum der Junge und seine kleine Schwester in ihm nicht die Mutter erkennen. Und der Widerstand der Kinder nimmt ab, da sie sich sehr nach der Mutter sehnen.

Welch ein seltsames Märchen haben Song Jea-chan und Lee Jong-mi da ersonnen. Der in Island geborene Song verwendet asiatische Motive, die im europäischen Raum eher irritieren. Zumindest die kleinen Zuhörer können die Geschichte nicht leicht einordnen und fragen immer wieder, warum die Frau so handelt oder was der Tiger tut und warum. Noch viel weniger verstehen sie das seltsame Ende der Geschichte. Hier wird in wenigen Sätzen ein Seil, das vom Himmel kommt, die blutrote Farbe der Hirse und die Entstehung von Sonne und Mond abgehandelt - ohne Erklärungen oder nachvollziehbaren Sinnzusammenhang.

Auch dem Erwachsenen kommt diese Geschichte seltsam vor. Die Mischung aus Handlungselementen verschiedener Grimmscher Märchen und meist unbekannten asiatischen Mythen ist seltsam unmotiviert und wirkt zusammengesetzt und hölzern. Seltsamerweise erzeugt die Geschichte dennoch ein Gefühl des Verständnisses für den Tiger und die Kinder. Vorleser wie Zuhörer nehmen es als gegeben hin, dass in einer fremden Kultur auch die Verhaltensweisen der Protagonisten unverständlich und absurd erscheinen.

Doch das eigentliche Faszinosum dieses Märchens sind die Bilder. Sie wirken lebendig, der Tiger gefährlich, die Kinder in ihrer Todesangst echt. Man bemerkt beim Vortrag schnell, dass sämtliche Gefühle von den Bildern erzeugt werden und tiefer gehen, als es die in Teilen unverständliche Geschichte zu erreichen vermag. Die kleinen Zuhörer leiden mit der Mutter mit, verzweifeln mit den Kindern und sind am Ende zufriedengestellt ob des Schicksals, das den Tiger und die Kinder ereilt.

Dieses Märchen ist für Freunde asiatischer Motive ein Geheimtipp. Sie werden in den Bildern schwelgen und der Geschichte das abgewinnen können, was sie suchen: das Fremde, Seltsame, Unbegreifliche einer gänzlich anderen Kultur und Lebensumwelt. Für Freunde Grimmscher Märchen allerdings ist dieses Bilderbuch weniger empfehlenswert. Es bricht zu nachhaltig mit der Erwartungshaltung, die man an Märchen gewohnheitsmäßig anlegt.

Stefan Erlemann



Hardcover | Erschienen: 01. Oktober 2007 | ISBN: 9783938766187 | Preis: 12,90 Euro | 32 Seiten | Sprache: Deutsch

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