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Gesellschaftsanalysen sind gut und wichtig, doch meist auch langweilig zu lesen. Außerdem gefällt es dem Leser nicht unbedingt, dass ein anderer sagt, was er, der Leser, falsch macht.
Das vorliegende Buch ist eine solche Gesellschaftsanalyse.
Der Autor geht auf den selbstverpassten Maulkorb ein, die Ereignisse und Ergebnisse der "political correctness", an denen wir, die Gesellschaft, zu ersticken drohen.
Broder verurteilt in seinem Buch die massive Toleranz gegenüber fundamentalistischen Gruppierungen, Religionen, Geisteshaltungen und Vorhaben.
Doch was genau stört den Autor? Zum einem die geforderte, oft scheinheilige Rücksichtnahme auf Gebote und Gebräuche des Islam. Diese Rücksichtnahme kommt aber nicht zustande, weil der Staat so tolerant ist oder es zu einer gebildeten Grundeinstellung gehört oder gar zum guten Benehmen. Nein, laut Broder wird diese Toleranz aus der Angst vor Repressalien geboren. Wenn Deutschland nicht dieses oder jenes für die gläubigen Moslems erlaubt, einrichtet oder zur Verfügung stellt, kann es passieren, dass vielleicht irgendwo in Deutschland auch ein terroristischer Anschlag von Moslems verübt wird. Oder von Islamisten, also gläubigen Moslems, die ihren Glauben mit Gewalt verteidigen oder das Unrecht ihnen gegenüber bekämpfen wollen
oder so ähnlich.
Eben mit dieser Haltung Europas lässt sich ein Kontinent, eine Staatengemeinschaft, von 0,01 Prozent gewaltbereiten, fundamentalistischen gläubigen Moslems, besser gesagt Extremisten, als Geisel nehmen. So zumindest der Autor. Auch führt Broder einige Punkte zu diversen ähnlichen Themen an: Allah-Karikaturen, Bildungspolitik, Sitten, Gebräuche. Er kritisiert weiterhin auch, dass wenigen soviel Toleranz und Entgegenkommen eingeräumt wird und anderen dafür nicht. Der Autor mutmaßt, dass die Benachteiligten vielleicht auch mit Anschlägen oder Ähnlichem drohen oder gar solches vollführen sollten, damit sie ihre "Rechte" auch bekommen.
Broder fasst mit seinem Buch ein brandheißes Eisen an. Mit klaren, offenen Worten bringt er seine Meinung dem Leser nahe, dafür sollte man ihm Respekt zollen.
Doch etwas ist enorm wichtig: Es ist Broders Meinung. Viele Punkte, die er anspricht, entsprechen der Wahrheit, viele Sachen sind paradox. Manches lässt den Leser den Kopf schütteln. Als Beispiel sei hier die religiöse Ungleichbehandlung von Moslems in Deutschland und Christen in Pakistan genannt. In dem einen Land darf die Religion frei ausgeübt werden, es wird auf religiöse Gegebenheiten Rücksicht genommen, in dem anderen Land muss sich der Gläubige für verrückt erklären lassen, damit er seine Religion fast ohne Repressalien ausüben darf.
Doch etwas stößt bei dieser Lektüre sauer auf. Nicht, dass es Broders Meinung ist, nein. Es ist der Stil, in dem sie verfasst ist. Es ist Polemik in Reinkultur. Zwar hat es das Niveau eines Stammtisches verlassen und passt eher zu einem kollegialen Parteitreffen im Hilton, doch es bleibt Polemik. Viele Punkte sind berechtigt kritisch zu betrachten, viele Gegebenheiten, die der Autor anspricht, sind klar erkennbar, doch die Ergebnisse, die Broder vorlegt, sind mehr als fragwürdig.
Auch lässt der Autor kaum ein Thema aus, doch findet er immer wieder zum scheinbar roten Faden dieses Buches zurück: Die Toleranz gegenüber dem Islam oder, besser gesagt, gegenüber dessen Anhängern. Irans Atompolitik darf darin ebenso wenig fehlen wie die Kritik an amnesty international - sie kümmern sich nur um Extremisten -, bis hin zur USA-Politik im Irak. Was dabei jedoch auffällt, ist die Tatsache, dass Broder gewisse Dinge bewusst außer Acht lässt. Zum Beispiel hat Iran den gleichen Atomwaffensperrvertrag unterschrieben wie Deutschland. Doch Iran wird von allen gedroht, dass sie das nicht machen sollen, was in der BRD recht und billig ist.
Auch betrachtet der Autor die Konstellation der islamischen Staaten gegenüber Israel. Auch hier gibt Broder nur das zu, oder zeigt nur das auf, was ihm in dem Kram passt. Israel und dessen Bevölkerung, natürlich alles gläubige und gottesfürchtige Menschen, begehen nie Unrecht gegenüber anderen und müssen sich zu Recht mit Atomwaffen gegen andere verteidigen können. Dass aber israelische Konzerne aus Profitgier gegen bekennende und gläubige Juden in Deutschland massiv vorgehen, wird nicht erwähnt.
Spätestens bei dieser Thematik merkt man die Parteilichkeit des Autors an. Das Buch spiegelt zwar seine Meinung wieder, doch sollte es auch informieren. Diesen Anspruch hat sich der Autor zwar auch gestellt, aber das wird hier unterlassen.
Auch ist es immer noch scheinbar eine Art Voraussetzung für ein solches kritisches Buch aus Deutschland, einen gewissen Betroffenheitspathos mit einzubringen. Die Verfolgung der gläubigen Juden zur Zeit des Dritten Reiches: Scheinbar als Voraussetzung, um ein solches Buch veröffentlichen oder gar verfassen zu dürfen, muss das unbedingt rein. Natürlich erklärt das einiges, wirkt aber stellenweise doch fehl am Platz.
Ein Sachbuch kann informativ oder appellierend sein - aber man sollte es nicht dazu nutzen, seine persönliche Meinung als Gesellschaftsanalyse zu tarnen. Damit es nicht weiter auffällt, nimmt Roder etwas, worüber sich einige Menschen, teilweise zu Recht, aufregen, um hier seine eigene Meinung publikumswirksam unter die Leute zu bringen. Immer wieder lässt der Autor einfließen, dass er zumindest bekennender Jude ist. Vielleicht soll das Verständnis beim Leser hervorrufen, warum dieser so denkt. Ganz klar sei hier gesagt: Broder ruft zu nichts auf, er schürt keinen Hass und wiegelt nicht auf. Er verkauft aber seine Meinung im Stile eines informativen Journalismus. Leider erinnert der Stil des Buches eher an Michael Moore, gepaart mit Tageszeitungen mit ganz großen Buchstaben. Der Tonfall reicht von arrogant bis sarkastisch. Doch Ironie, wie manche Tageszeitungen in ihren Kritiken geschrieben haben, sucht man vergeblich. Broder spricht ironische Gegebenheiten an, doch nicht in einem ironischen Tonfall.
Auch ist es nur zum Teil eine Gesellschaftsanalyse, da nur ein größeres Thema behandelt wird.
Der Schreibstil, die fehlenden Quellennachweise, das teilweise sehr kurze Abhandeln von Dingen und vor allem die massiv persönliche Sichtweise machen dieses Buch nicht zu einem informativen Sachbuch. Doch gerade Sachargumente und konstruktive Lösungsvorschläge hätten Broders Argumentation sehr gut getan. Doch diese sucht man auch vergeblich.
So ist dieses Buch leider nur Polemik auf einem anderen, höheren Niveau. Schade.