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Wenn es eine typische weibliche Institution gibt, die seit Jahrhunderten Bestand hat, dann kann es sich nur um den Kaffeeklatsch handeln: jene Nachmittage, die Frauen unter sich verbringen und die Männern zutiefst suspekt sind.
Wie es zum Kaffeeklatsch und -kränzchen sowie den in weiteren Sinne verwandten Salons kam, wie diese gesellschaftlichen Ereignisse kulturhistorisch einzuordnen sind, und wie sie sich über die Jahrhunderte bis in unsere Zeit entwickelt haben, zeigt dieses liebevoll gestaltete Buch.
Im ersten Teil geht die Autorin auf Spurensuche und zeigt auf, wie sich das Kaffeekränzchen aus der traditionellen Kränzchen-Geselligkeit entwickelt hat, die auf das Handwerk und später auf das Bürgertum zurückgeht. Natürlich gehört auch die Geschichte des Kaffeekonsums in Mitteleuropa zum notwendigen Hintergrundwissen, und der Leser erfährt, wie die klassische Rollenverteilung zur Einführung der Damenkränzchen beitrug: Frauen durften nicht ins Kaffeehaus, also mussten sie zu Hause ihrem Drang nach Kommunikation und Kaffee frönen. Aparte Beispiele aus der Literatur lassen den Leser ahnen, wie bedeutsam der Kaffeeklatsch für den Heiratsmarkt, den sozialen Status, aber auch die Weiterbildung der bürgerlichen Frauen war.
Der zweite Teil befasst sich mit dem Ablauf und Ambiente der Kaffeekränzchen: Gebäck, Geschirr, Tratsch und Klatsch; und auch hier wird reichlich spannende Historie geboten. Denn wer weiß heute noch etwas über die Dekormode beim guten alten Kaffeeservice oder über die segensreiche Wirkung des Backpulvers fürs Kaffeekränzchen?
Dass etwas so "spießig" Anmutendes wie der klassische Kaffeeklatsch Stoff für ein ganzes Buch bieten kann, würde kaum jemand vermuten. Und natürlich handeln einige Kapitel nicht explizit vom Kaffeekränzchen, sondern von der Kulturgeschichte des Kaffeekonsums in unseren Breiten - mit dem Schwerpunkt "Frauen und Kaffee".
Hierzu hat die Autorin zahlreiche interessante Informationen zusammengetragen und bietet sie charmant, einfühlsam, abwechslungsreich und humorvoll dar. Den meisten Lesern dürfte ein Großteil der Inhalte des Buchs neu sein, auch wenn die durch die anschaulichen Texte und zahlreichen Abbildungen vermittelte Atmosphäre aus längst vergangenen Zeiten vertraut anmutet: aus Filmen, Erzählungen älterer Familienmitglieder oder eigenen Erinnerungen an die liebevolle Bewirtung durch Mütter und Großmütter.
Neben "harten" Fakten findet sich allerlei Kurioses, zum Beispiel der vom männlichen Teil der Menschheit zunächst gehegte Verdacht, Kaffeekonsum gefährde die weibliche Moral, und der Ruch der ersten Kaffeehäuser als Herde der Unzucht (der ausschließlich männlichen Besucher mit dem vorwiegend weiblichen Personal).
Zusammen mit dem Kaffeekränzchen können die Leser auch die Geschichte des Frauenbildes und der Frauenrolle durch mehrere Jahrhunderte verfolgen, die eng mit der Geschichte des aufstrebenden Bürgertums verknüpft sind, ohne das der Kaffeeklatsch nicht denkbar wäre.
Wie erwähnt, wird der Text von vielen Abbildungen ergänzt und illustriert. Darunter findet man Sammelbildchen von Kaffee- und sonstigen Lebensmittelherstellern, Fotos, Ölbilder, Zeichnungen, Reproduktionen von Buchseiten, Karikaturen und vieles mehr. Diese Illustrationen sind auf sehr ansprechende Weise in das Buch integriert; überhaupt besticht das Layout ganz besonders und macht das Buch nicht nur zu einer spannenden, abwechslungsreichen und informativen Lektüre, sondern auch zu einem attraktiven Geschenk. Im Übrigen wendet es sich keineswegs nur an Frauen: Auch Männer, die den Mut haben, dem einen oder anderen Rätsel des Weiblichen auf den Grund zu gehen, dürften Vergnügen an der Lektüre finden.