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 Die Macher


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Glück
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Spielregel
Strategie


Wenn ich Ihnen jetzt erzähle, dass sich eins der bei Hardcore-Gamern weltweit beliebtesten Strategiespiele um deutsche Politik und den Wahlkampf zwischen CDU, SPD, FDP, Grünen und Linken dreht, dann lachen Sie mich wahrscheinlich aus. Doch es stimmt - Karl-Heinz Schmiels "Die Macher", in dem die fünf größten deutschen Parteien in sieben Landtagswahlen gegeneinander antreten, gilt vor allem in Amerika schon seit 22 Jahren als absoluter Klassiker unter den europäischen Strategiespielen. Bei der größten Brettspieldatenbank des Internets, BoardGameGeek, hat "Die Macher" die ID eins, das heißt das Spiel wurde bei der mittlerweile mehrere 10.000 Titel starken Datenbank zu allererst eingetragen und hält sich seitdem wacker in der TOP 20 der beliebtesten Spiele aller Zeiten. Eine erstaunliche Leistung!
Das Spiel, ursprünglich beim Hans im Glück-Verlag erschienen, wurde nun seit vielen Jahren nicht mehr aufgelegt. Jetzt gibt es jedoch eine neue, internationale Edition des kanadischen Verlags Valley Games, der damit eine Reihe von Neuauflagen beliebter, alter Strategiespiele startet - ein passender Zeitpunkt, schließlich meldet sich Autor Karl-Heinz Schmiel gerade nach langer Pause mit neuen Titeln wie "Tribun" zurück. Doch obwohl "Die Macher" tatsächlich ein tolles Spiel ist, so hat diese Neuauflage leider doch ihre Tücken.

[imgleft]images/UploadGrafiken/DieMacher1.jpg[/imgleft] Es beginnt damit, dass jeder Spieler eine der fünf Parteien übernimmt, was spielerisch jedoch keinen Unterschied macht, da alle die gleichen Voraussetzungen am Anfang haben. Lediglich die Linke wird bei Spielen mit weniger als fünf Teilnehmern wohl ein Schattendasein führen, weil irgendjemand die großartige Idee hatte, die Spielsteine der Partei rosa zu färben, wo die PDS im Original noch blau war. Das mag entweder ein hintersinniger politischer Kommentar oder ein Näherungswert zur eigentlichen Farbe der Partei sein, sieht letzten Endes aber einfach nur hässlich aus.
Am Anfang bekommt jede Partei jedenfalls ein zufälliges Parteiprogramm zusammengestellt, das ihre Einstellungen (dafür oder dagegen) zu fünf der sieben Wahlkampfthemen zeigt. So kann man auch mit den Grünen im Spiel mal für die Errichtung neuer Atomkraftwerke oder Subventionen von Genfood sein. Außerdem werden die ersten vier Wahlkampfländer vorbereitet, die alle ihre eigene Meinung zu jeweils vier dieser Themen vertreten. Die Parteien versuchen, ihr Programm möglichst mit der öffentlichen Meinung jedes Bundeslandes abzustimmen, weil sich das in mehr Stimmen und damit Mandaten bei der Wahl rentiert.
Am Ende einer Runde wird immer das aktuelle Bundesland abgerechnet, aber eigentlich ist man auch immer schon bei den drei zukünftigen Bundesländern der kommenden Runden aktiv, um dort für ein möglichst positives Wahlergebnis zu sorgen. Das erreicht man, indem man möglichst viele Stimmen bei der Wahl erhält, und die errechnen sich nach einem bestimmten System. Als Basis dient die Zahl der Wahlkampfveranstaltungen, die man im entsprechenden Bundesland durchgeführt hat. Dann wird ein Faktor errechnet, der sich aus den Übereinstimmungen zwischen Parteiprogramm und öffentlicher Meinung ergibt sowie dem aktuellen Trend der Partei nach oben oder nach unten. Dieser Faktor, multipliziert mit den Wahlkampfveranstaltungen, ergibt die Stimmen - und all dies bei jeder Wahl zu maximieren, ist das Ziel.

[imgright]images/UploadGrafiken/DieMacher2.jpg[/imgright]Eine Runde in "Die Macher" ist extrem komplex und in viele völlig verschiedene Phasen unterteilt. So kann man sein Parteiprogramm ein bisschen verändern und an die Meinung des aktuellen Landes anpassen oder Mitglieder seines Schattenkabinetts einsetzen, um schnell Stimmen zu bekommen, den Trend einer Partei zu verändern oder ein Thema zum Hauptwahlkampfthema zu machen. Man kann Einfluss bei den regionalen Medien kaufen, um die öffentliche Meinung zu verändern, Wahlkampfveranstaltungen durchführen und - ganz wichtig - Koalitionen mit anderen Parteien bilden, denn zu zweit ist man fast immer stärker als einer und kann einer anderen Partei den sicher geglaubten Wahlsieg entreißen. Fast alle diese Aktionen kosten Geld, von dem man zwar nicht immer unbedingt wenig hat, welches aber trotzdem äußerst klug eingesetzt werden will. Denn kurz vor der eigentlichen Wahl werden noch Umfragen versteigert, die den Trend einer Partei massiv nach oben oder unten korrigieren können, was sich entscheidend auf das Wahlergebnis auswirken kann. Und bei wichtigen Ländern können die Preise dafür exorbitant in die Höhe schießen.
Nach der Wahl darf der Sieger des Bundeslandes mit den meisten Stimmen Einfluss von den regionalen Medien auf die nationalen Medien umlagern, was zum Schluss ordentlich Siegpunkte bringt. Außerdem darf er bestimmte Themen in das Licht der nationalen Öffentlichkeit rücken, was sich zum Schluss ebenfalls ordentlich rentieren kann. Am Ende jeder Runde haben die Parteien noch die Möglichkeit, Geld zu verdienen, damit man nicht mit leerer Kasse in den nächsten Wahlkampf starten muss. Und nach insgesamt sieben Wahlen ist das Spiel vorbei. Punkte gibt es dann für die erhaltenen Mandate in den einzelnen Ländern, für die Anzahl der Parteimitglieder, für den Einfluss bei den nationalen Medien und für die Übereinstimmungen zwischen Parteiprogramm und Bundesmeinung. Hier zeigt sich dann, wer am meisten Punkte sammeln konnte und damit das Spiel gewonnen hat.

[imgleft]images/UploadGrafiken/DieMacher3.jpg[/imgleft] Diese Beschreibung war nur ein kurzes Drüberwischen über "Die Macher", das Spiel geht noch viel weiter in die Tiefe. Dabei sollte jedoch klar geworden sein, dass es sich um eine zwar nicht völlig realistische, aber immerhin doch sehr detailgetreue Wahlkampfsimulation handelt. So fühlt man sich schnell wie ein echter Politiker, so wie man auf das eigene Geld achten und gleichzeitig an vielen verschiedenen Fronten kämpfen muss, um es auch ja allen recht zu machen. Denn was das eine Bundesland noch toll findet, kann im nächsten schon wieder verteufelt werden - da ist sehr viel Feintuning nötig und geschicktes Abwägen, welches Bundesland denn jetzt den Aufwand lohnt und wo man lieber anderen das Feld überlässt. Doch vor allem in der Interaktion mit den anderen Spielern muss man all seine Überzeugungskraft aufbringen können, denn hier entscheidet sich das Spiel. Ohne Koalitionen und Teambildungen lässt sich eine Partie kaum gewinnen - und wenn sich zwei Parteien gegenseitig Geld zustecken, müssen die anderen gewaltig auf Zack sein, um diesen Vorteil auszugleichen. Das kann mitunter schon mal gewaltig an die Nieren gehen - "Die Macher" sollte man also mit einer Runde spielen, in der sich die Leute gut verstehen und wissen, dass das hier nur ein Spiel ist. Abseits der Vielspieler wird jedoch kaum jemand Interesse an diesem Titel finden. Das Thema, obwohl exzellent umgesetzt, dürfte als Spiel nicht viele interessieren, jedoch sind vor allem Komplexitätsgrad und Spieldauer für Gelegenheitsspieler im höchsten Maße abschreckend. Die erste Partie wird man inklusive Erklären nicht in weniger als fünf Stunden beenden können und auch spätere Runden nehmen vor allem an verhandlungsfreudigen Tischen schon mal einen ganzen Abend in Anspruch.
Die beigelegten englischsprachigen Spielregeln sind jedoch wirklich gut und anschaulich erklärt, mit einer breiten Einführung in die einzelnen Komponenten und einer detaillierten Beschreibung des Spielablaufs. Da es sich um die internationale Version handelt, liegt dem Spiel eine CD bei, auf der auch die deutschen Regeln vorzufinden sind. Wer gute Englischkenntnisse besitzt, sollte jedoch trotzdem unbedingt auf das Regelheft zurückgreifen, da die Übersetzung nicht mal mehr an einem Muttersprachler vorbeigetragen worden zu sein scheint. Die Texte sind zwar noch verständlich, strotzen aber teilweise vor Fehlern und machen den Einstieg in das Spiel eher schwerer denn leichter. Auch sehr schade ist, dass die Chance auf eine multimediale Einführung wie beispielsweise bei "Space Dealer" versäumt wurde, wenn man dem Spiel schon eine CD beilegt.
Die Version von Valley Games hat noch weitere Macken, so haben die Spielbretter unschöne Fehler und Risse, einige der Grafiken auf den Karten sehen recht blass aus, die neuen Wahlkampfthemen sind sehr unspektakulär und optisch teilweise nur schwer voneinander zu unterscheiden. Außerdem wurden einige sinnvolle Regeln der älteren Editionen über Bord geworfen.

"Die Macher" ist ein wirklich tolles Spiel für Freaks. Wer lange, komplexe Spiele mag und sich auch nur ein Deut für Politik interessiert oder die FDP einfach mal wirklich zu ihrem Traumziel "endlich 18" führen wollte, der kommt an Karl-Heinz Schmiels Klassiker nicht vorbei. Eine Partie gestaltet sich sehr abwechslungsreich und spannend, es gibt viele Aufs und Abs, unheilige Allianzen und überraschende Sieger - der Gewinner ist bis zum Schluss unklar, weil erst dann die vielen Punkte zusammengerechnet werden. Außerdem hat das Spiel den netten Nebeneffekt, dass am Tisch auch mal wieder ernsthaft über Politik geredet wird. Wenn man aber irgendwie an die beiden älteren, deutschen Auflagen rankommen kann, sollte man die Ausgabe von Valley Games eher meiden.
Letztendlich steht aber auch diese Ausgabe für den erstaunlichen Erfolg eines sperrigen Spiels, der schon seit über 20 Jahren anhält - ein echter Klassiker halt.

Julius Kündiger



Brettspiel | Erschienen: 1. Januar 2008 | Preis: 40 Euro

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