Wer bis September 2007 auf der Suche nach einem Buch über die Geomorphologie und die Landschaftsgeschichte Süddeutschlands war, musste Kompromisse eingehen: Man konnte entweder zahlreiche Einzelanalysen zu regional stark begrenzten Teilräumen lesen oder sich mit den jahrzehntealten Klassikern begnügen, in denen aktuelle Forschungsergebnisse natürlich fehlten. Die klaffende Lücke in der Literatur über den vielfältigen Landschaftsraum des südlichen Deutschland ist mittlerweile durch "Deutschlands Süden - Vom Erdmittelalter bis zur Gegenwart" von Joachim Eberle, Bernhard Eitel, Wolf Dieter Blümel und Peter Wittmann geschlossen worden.

Wie der Untertitel andeutet, ist das Fachbuch als Zeitreise konzipiert, die den Leser vom Mesozoikum bis in unsere Zeit führt. Dementsprechend sind die einzelnen Kapitel bis auf wenige erklärende Vorgriffe chronologisch angeordnet und berichten der Reihe nach über die unterschiedlichen Formungsphasen, die der süddeutsche Raum erlebte. Dabei wird kein Zeitraum ausgelassen: Von den frühen Landformungsphasen unter tropischen Klimabedingungen über Zeiten tektonischer und vulkanischer Aktivität bis hin zu der kaltzeitlichen Prägung im Pleistozän und den jüngeren Landschaftsveränderungen durch die Tätigkeit des Menschen werden Seite um Seite die Prozesse nachvollzogen, die zum heutigen Landschaftsbild geführt haben. Im Zuge der Erklärungen werden alle wichtigen Teilräume Süddeutschlands charakterisiert und deren Entwicklung nachvollzogen. Viele Exkurse geben darüber hinaus Auskunft über am Rande gestreifte Themen oder beleuchten Methoden der geographischen Forschung.

Es ist also vollbracht: In einem großen Überblickswerk erklären die Verfasser erstmals in einem aktuellen Werk und auf dem Stand der Forschung des beginnenden 21. Jahrhunderts die Entstehung der süddeutschen Landschaft. Was Eberle, Eitel, Blümel und Wittmann damit geleistet haben, ist nicht nur ein wertvoller Beitrag zur Länderkunde dieses vielgestaltigen und komplexen Raumes, sondern auch ein didaktisch und strukturell höchst durchdachtes Lehrbuch. Es eignet sich nicht nur für Geographen und Studenten, sondern auch für interessierte Laien, die jedoch schon über ein grundlegendes geographisches Vorwissen verfügen sollten. Dass hinter "Deutschlands Süden" ein gut entwickeltes Konzept steht, wird schon beim Aufklappen des schicken Hardcovers klar: Eine tabellarische Übersicht mit allen relevanten Zeitaltern der Erdgeschichte im vorderen und eine Karte von Süddeutschland im hinteren Buchrücken helfen bei der zeitlichen und räumlichen Orientierung. Derartige Hilfen mögen wie ganz logische Maßnahmen erscheinen, sind jedoch (leider) in geographischen Lehrbüchern keineswegs Standard. Auch die vielen farbigen Abbildungen und Fotos erleichtern das Lesen ungemein und veranschaulichen im Text erklärte Zusammenhänge zusätzlich. Besonders hervorzuheben sind hierbei die Blockbilder von Bettina Allgaier, die mit ihren detailverliebten Landschaftsdarstellungen zu den heimlichen Stars des Buches avancieren. Anschaulichkeit, die zugleich nicht auf Kosten der Komplexität geht, ist ein Charakteristikum des lehrreichen Buches. Hoch anzurechnen ist es den Verfassern zudem, dass sie zahlreiche Schulbuchmärchen - zum Beispiel das noch heute oft vermittelte Bild der "wandernden Schichtstufen" - als unzutreffend entlarven und mit Offenheit und Wissenschaftlichkeit andere Erklärungsansätze anbieten. Mängel oder Kritikpunkte sind auch bei genauer Betrachtung kaum festzustellen und beschränken sich auf sehr wenige Sätze, deren Struktur vielleicht für Leser mit weniger Vorwissen allzu verschachtelt erscheinen mag.
Insgesamt hat "Deutschlands Süden" mit Sicherheit das Potenzial, innerhalb kürzester Zeit zu einem Standardwerk zu werden. Wer etwas über die Entstehung der süddeutschen Landschaften zwischen Oberrheingraben und bayrischem Wald erfahren möchte, wird über kurz oder lang an diesem Buch nicht vorbeikommen. Der nicht gerade günstige Preis von knapp 40 Euro wird übrigens durch die hochwertige Aufmachung und den tadellosen Druck mehr als gerechtfertigt.

Fazit: Kein fader "Erdkäs", sondern faszinierend und anschaulich - so sollte lebendige Geographie aussehen!