Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Humor | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Franz Dobler erzählt in seinem neuen Buch "Aufräumen" einen Tag aus dem Leben des 45-jährigen Beat.
Er hat sich schon daran gewöhnt, eher ein Außenseiter zu sein. Seine Frau hat ihn verlassen, wirkliche Freunde hat er fast gar keine, sein Job als Barkeeper in einer Disco gefällt ihm nicht mehr, sein anderer Job als Ideenliferant für einen Pornoproduzenten ist auch nicht mehr so das Wahre. Das, was ihn wirklich ausmacht und ihm etwas bedeutet, ist seine Liebe zur Musik und zur Literatur.
Als er morgens in der Bahn einen Mann beobachtet, der auf den ersten Blick niemandem auffallen würde, heute aber für Aufsehen sorgt, da er wütend vor sich hin schimpft, kurz darauf Monika kennen lernt - eine Frau, ungefähr so alt wie er, die abends auflegt - und Dieter, der Pornoproduzent, auf einmal ein Hühnchen mit ihm rupfen will, da er fälschlicherweise glaubt, Beat hätte ihn an die Polizei verraten, wird Beat klar, dass er etwas ändern muss in seinem Leben - aufräumen. Aber wo beginnen?
Und so beginnt ein chaotischer Streifzug durch eine x-beliebige, mittelgroße Stadt, ihre Kneipen und Lokale, hin zu vielen verschiedenen Begegnungen mit Freunden, Feinden oder einfach komplett Fremden.
Der Roman verunsichert und hält den Leser auf Trab. Immer wieder hält man den Atem an, da man befürchten muss, Beat würde es dem Mann aus der Bahn gleichtun, auf einmal explodieren und den ganzen Frust auf sein Leben aus sich herauslassen. Dann aber geht der Moment vorbei, es wird ruhig, man glaubt sich schon sicher
aber nein, sicher fühlen vor dem großen Knall kann man sich nicht und wird es auch nicht wirklich tun. Zu schnell treiben einen die Sätze voran, mal scheint es, als würde Beat seitenlang erzählen, ohne auch nur einmal Luft zu holen, zu verharren. Das ist fesselnd für den Leser, aber auch anstrengend. Keinen Monolog oder Dialog darf man überspringen, nie mal einige Zeilen lang nicht aufpassen, sonst wird man vom Tempo dieser Geschichte abgehängt, ohne es zunächst zu merken.
Das Charmanteste an diesem Roman sind wohl die Neologismen, wie zum Beispiel "Germanistan", die Beat immer wieder erfindet und die immer das momentane Gefühl vermitteln. Überhaupt macht Beat viele interessante Sachen. Auch die Spielerei, ein Buch aufzuschlagen, einen beliebigen Satz zu wählen und diesen als Leitspruch des Moments zu wählen, oder das Liedtitel-Horoskop, bei dem ein beliebiger Titel eines beliebigen Albums auf einmal eine Art Fingerzeig in die Zukunft zu geben scheint.
"Aufräumen" ist bestimmt nicht leicht zu lesen, aber wenn man sich darauf einlässt, kann der Roman seinen eigenen Charme entwickeln und den Leser fesseln. Leider muss man aber wirklich in der richtigen Stimmung hierfür sein, sonst gibt man das Lesen unvermittelt entnervt auf oder aber überspringt Teile und kommt so aus der Handlung raus.