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 Drei Sieben Fünf

Autoren: Marc Buhl
Verlag: Eichborn Verlag

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Spätestens nachdem der Film "Das Leben der Anderen" mit dem mittlerweile verstorbenen Ulrich Mühe in der Hauptrolle mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, herrscht in Deutschland wieder ein reges Interesse am Geheimdienstwesen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Auch das kürzlich erschienene Buch des Leiters der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, "Die Täter sind unter uns", erntete viel Aufmerksamkeit. Abseits von diesen zwei grundsätzlich verschiedenen Ansätzen widmete sich Marc Buhl in "Drei Sieben Fünf" dem Leben und Schaffen eines Opfers des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Die Inhalte des Buches sind fiktiv, Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Ereignissen jedoch gewollt und in dieser oder ähnlicher Form auch vorgekommen. Das Buch trägt jedoch mitnichten einen autobiografischen Charakter.

Eigentlich ist Suizid durch einen Schuss in den Kopf eine sichere Sache, denkt sich Paul. Die Ausbildung in der Nationalen Volksarmee (NVA) liegt zwar schon gut zwanzig Jahre zurück, aber eine Pistole zu laden, zu entsichern und während des Sonnenuntergangs abzukrümmen geht wie von selbst. Der behandelnde Arzt stellt jedoch nicht den Tod des Mittvierzigers fest, sondern stattdessen "Eröffnung des rechten Vorderhornes und links frontobasales Epiduralhämatom bei frontaler Kalottenfraktur, verursacht durch Kopfschuss von rechts frontotemporal nach links frontal".
Paul Cremer lebt. Langsam beginnen seine Sinne wieder zu funktionieren und er wundert sich, wie einfallsreich die Stasi doch ist. Gefälschte Kalender, Westschokolade, bunte Wände und technische Geräte, die förmlich den Stempel "aus dem imperialistischen Ausland" tragen.
Nur langsam begreift Paul Cremer, dass er weit älter ist, als er es sich vorstellen kann. Er befindet sich auch nicht auf der Krankenstation eines Gefängnisses, genauer der Untersuchungshaftanstalt des MfS, sondern befindet sich auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Er begibt sich mit Hilfe eines Neuropsychologen auf die beschwerliche Suche nach seinen verlorenen Erinnerungen - der Anfang eines schmerzlichen Prozesses. Am Ende führt ihn diese Reise ins Eigene Ich zurück an den Ort seines Martyriums: nach Berlin Hohenschönhausen ...

"Drei Sieben Fünf" - drei Zahlen, die für Haft, Isolierung und Verhör stehen. Hierbei handelt es sich um die Nummer des Haftraumes, in dem der Protagonist des vorliegenden Romans inhaftiert war. Erschreckend nüchtern und ohne unnötige Dramatisierung schildert der Autor das Leben des jungen Paul vor und während der Haft, aber auch das Leben zwei Jahrzehnte später. Als das Land, in dem Paul Cremer geboren wurde, dem er als Wehrpflichtiger gedient und dessen System ihn bis zum Winter 1989 inhaftiert hatte, nicht mehr existiert.
Gespannt wartet man auf weitere Enthüllungen auf der einen Erzählebene oder fiebert auf der anderen mit dem Protagonisten mit. Hierbei fallen die packenden und trotzdem distanzierten Beschreibungen von psychisch kranken Menschen und den menschenverachtenden Methoden im Stasi-Knast auf. Im Verlauf der Handlung nähern sich beide Erzählebenen einander an, bis der Autor schließlich in einem emotionalen und tief bewegenden Finale die Vergangenheitsbewältigung Cremers abschließt.
Sprachlich bewegt sich Marc Buhl in seichten Gewässern und verstößt nie gegen die Regeln des guten Geschmacks, lässt vieles ungesagt und regt die Fantasie des Lesers an. Seine atmosphärisch dichte Erzählweise, die besonders in Verhörsituationen oder bei Gesprächen des Vaters mit dem Sohn auffällt, lockert Buhl durch einige liebenswerte Einwürfe auf. Es macht viel Spaß an den Dialogen des Mittvierzigers und seiner Umwelt teilzuhaben oder seine Sicht der Dinge geschildert zu bekommen.

Mit "Drei Sieben Fünf" legt Marc Buhl ein überaus lesenswertes Buch vor, das mit einer gut durchdachten und sehr gut zu lesenden Geschichte einer Begebenheit aufwartet, die in den Grundzügen so oder ähnlich tatsächlich passiert ist. Weiterführend ist neben der Lektüre dieses Buches auch der Besuch der Stasi-Gedenkstätte Berlin Hohenschönhausen zu empfehlen, denn neben einem fesselnden Roman ist dieses Buch auch eine Mahnung - die Mahnung geschehenes Unrecht nicht zu vergessen, zu bagatellisieren oder im Rahmen von DDR-Nostalgie-Sendungen als "nicht so schlimm" abzutun. In diesem Buch lebt Geschichte, wird packend vermittelt und trotzdem wird der Blick nach vorn nicht aus den Augen verloren.
"Drei Sieben Fünf" hat eine breite Leserschaft verdient, allein schon um Vorgenanntes nie in Vergessenheit geraten zu lassen.

Ralf Strohbach



Hardcover | Erschienen: 01. Februar 2008 | ISBN: 9783821857824 | Preis: 19,95 Euro | 288 Seiten | Sprache: Deutsch

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