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Polly Pringles ist die wohlerzogenste, höflichste und folgsamste Schülerin am Internat für höhere Töchter. Das kann man von ihren Zimmergenossinnen nicht behaupten. Die eine intrigiert wo sie nur kann, verrät die anderen und hat nur ihr eigenes Wohl im Kopf, die andere will unbedingt in das nahe Städtchen St. Helvatius entkommen. Sie versucht Polly dazu zu überreden, ihr dabei zu helfen. Polly aber, grundanständig und etwas feige, gelingt es nicht, sich an den Fluchtplan zu halten. Zum Glück der beiden schläft sie beim ersten Versuch in der Küche ein, kurz bevor sie den Schlüssel entwenden und hinaus kann. Zum Glück, weil ihr Plan natürlich verraten wurde und die Leiterin bereits im Zimmer auf die Mädchen wartet.
Kaum sind alle wieder in ihren Betten, geschieht unglaubliches. Ein riesiges Piratenschiff ankert neben dem Internatsschiff und entführt Polly samt Bett durch das Fenster. Die junge Dame sieht sich inmitten furchterregender Piraten, die ihr Übles wollen. Zumindest nimmt Polly das an. Wie erstaunt ist sie, als Scrimshaw, der Anführer der Bande, ihr eröffnet, dass sie Polly als Piratenkapitänin haben wollen. Völlig verwirrt überlegt Polly bereits, ob diese ungezogenen und übelriechenden Gesellen verrückt geworden sind, da eröffnet ihr Scrimshaw, dass die Piraten Polly für die Tochter ihrer vor dreizehn Jahren verschwundenen Piratenkapitänin, der gefürchteten Meg Malloy, halten.
Nach den wundervoll schaurigen, höchst unkonventionellen Comics aus der Feder von Ted Naifeh, den drei Bänden über Courtney Crumrin, ein neuer Dreiteiler völlig anderen Inhalts. Diesmal ist es Polly Pringles, Internatsschülerin und höhere Tochter, die sich unversehens in der Gesellschaft von Piraten wieder findet.
Aus diesem Zusammenprall von Ansichten und Haltungen zieht der Comic einen Großteil seines Humors. Daraus, wie sich dieses kleine Mädchen gegen diese Spießgesellen behauptet, einen weiteren.
Auch die Zeichnungen von Ted Naifeh sind gewohnt ungewohnt. Seine Menschen haben keine Hände, sondern vier Klauen. Die Gesichter sind groß und leer mit kugelrunden, übergroßen Augen. Doch die Charaktere, die er zeichnet, sind - zumindest im ersten Teil - zu unbestimmt und nebelhaft. Ist dieses Mädel nun feige oder mutig, ist sie höhere Tochter oder Piratentochter? Ist sie wohlerzogen oder nur eine Fassade? Es gelingt dem Leser nicht, sich mit der kleinen Dame zu identifizieren, zu seltsam sind die Ereignisse, zu sprunghaft ihr Verhalten. Auch die wilden Gesellen auf dem Piratenschiff sind eben genau das nicht. Sie zucken vor der Zurechtweisung durch die dreizehnjährige Göre zurück, offenbaren mangelnde Entschlossenheit und wirken eher wie Pappkameraden und Süßwassermatrosen, denn wie Piraten der gefürchtetsten Bande der sieben Weltmeere.
Doch erzeugt die Geschichte dennoch einen gewissen Sog. Was hat es mit diesen seltsamen Ereignissen auf sich? Was wollen die Piraten? Was will Polly? Dank einem Nachtrag des Autors, indem er die Geschichte der Meg Malloy und ihres Untergebenen Scrimshaw erzählt, fügt sich wenigstens einiges zusammen. Man ahnt, was wer will und wohin die Reise gehen könnte.
Doch Naifeh wäre nicht Naifeh, wenn es nicht ganz anders und überraschender kommen würde, als der Leser sich denkt.
Dank wundervoll schöner Zeichnungen, einem geheimnisvollen Ansatz und den verheißungsvollen Hoffnungen auf den weiteren Gang der Ereignisse, wird wohl fast jeder Leser - und hier sind vor allem Kinder ab zehn Jahren gemeint, für die dieses Buch geschrieben zu sein scheint - den zweiten Band erwerben. Wer jedoch im Andenken an die fantastische Courtney Crumrin dieses Abenteuer erworben hat, wird etwas enttäuscht sein - es fehlt der Tiefgang, das Geheimnisvolle und vor allem der fantastische Aspekt.
Doch Neueinsteiger in das Werk des Amerikaners Ted Naifeh werden begeistert sein über seinen skurril-eigenständigen Zeichenstil, seine herrlich komischen und oft überraschend innovativen Ideen, die er sowohl grafisch, als auch von seinem markanten Erzählstil her einbringt.