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 Un Lon Dun

Autoren: China Miéville
Illustratoren: China Miéville
Übersetzer: Eva Bauche-Eppers
Verlag: Bastei Lübbe

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Zanna und Deeba sind zwei ganz normale Schulmädchen aus London - wären da nicht die zahlreichen seltsamen Zwischenfälle, die Zanna auf Schritt und Tritt verfolgen. Mal wird sie von einem Fuchs beobachtet, dann erscheinen Wolken, die ihr Ebenbild zeigen, und schließlich tauchen auch noch seltsame Leute wie aus dem nichts auf, die verkünden, wie hocherfreut sie darüber seien, die "Schwasie" zu treffen. Weder Zanna noch ihre Freundin Deeba, die stets an ihrer Seite weilt, können sich einen Reim darauf machen. Schon bald überschlagen sich die merkwürdigen Ereignisse und Zanna folgt, von Neugier getrieben, einem scheinbar lebendigen Regenschirm durch den Eingang in eine fremde Welt - UnLondon. Gemeinsam erkundet sie mit Deeba diese neue Stadt, in der alle alten und vergessenen Dinge Londons auftauchen. Nachdem die beiden Mädchen die Bekanntschaft mit angriffslustigen Müllhaufen, einem Semigeist und einigen exzentrischen Bewohnern der Vis-a-vis-Stadt gemacht haben, erfährt Zanna endlich, warum sie dort gelandet ist. Sie ist die "Schwasie", die Auserwählte, die den mächtigen Feind UnLondons besiegen soll: den Smog. Doch alles was die beiden Mädchen wollen, ist nach Hause zurückzukehren. Letztendlich stellt sich Zanna der Bedrohung - aber nicht immer verlaufen die Dinge so, wie sie vorgesehen waren.

Es handelt sich hier auf den ersten Blick um einen 08/15-Phantastikplot vom Grabbeltisch: Ein auserwählter Teenager gerät in eine Parallelwelt und muss diese nahezu im Alleingang vor einem übermächtigen Bösewicht retten. Bald jedoch wird ersichtlich, dass Miéville sich dieser Klischees nur bedient, um mit ihnen zu spielen, sie auszureizen und zu persiflieren.

Man findet in diesem Buch viel Bekanntes wieder, man erkennt all die Autoren, denen China Miéville auch im Vorwort dankt (Moers, Gaiman, Larrabeiti und weitere Phantasten), insbesondere fühlt sich der Leser auch an Lewis Carrolls ?Alice im Wunderland? erinnert - und dies nicht zuletzt durch die abstrakten Illustrationen und die Sprache, die sich durch eine gewisse Zeitlosigkeit auszeichnet. Wenn es Sprachnostalgie gibt, dann weiß Miéville genau, wie er diese hervorrufen kann.
All diese Einflüsse helfen dabei, sich die Vis-a-vis-Stadt UnLondon vorzustellen, die Miéville selbst mit zahlreichen neuen, wundervollen Ideen anreichert und umgestaltet - so ist sie einerseits ein bunter, verrückter Ort, andererseits auch eine triste und schauerliche Mülldeponie.
Die Protagonisten Zanna und Deeba bleiben relativ blass - sie gewinnen im Laufe der Geschichte an Tiefe, sind aber allenfalls in Pastelltönen geschildert und genau das ist es auch, was den wahren Hauptdarsteller dieses Buches, nämlich UnLondon samt Einwohnern, noch schillernder, farbenprächtiger und plastischer macht. Da trifft man auf anhängliche Schoßkartönchen, Semigeister, angriffslustige Regenschirme, Schneider mit einem Faible für Bücher, die ihren Kopf als Nadelkissen nutzen, und einiges mehr. Für einen Phantasten ist dieser Kreativitätsfundus "Kopfkino de luxe".
Leider bleibt der Plot, der flott und ohne Längen erzählt wird, durchweg recht vorhersehbar, die ein oder andere wirklich überraschende Wendung wäre schön gewesen. Trotzdem kommt nur selten Langeweile auf, was auch den sehr kurzen Kapiteln zu verdanken ist.

Abseits der Unterhaltung verwendet der Autor zahlreiche Anspielungen auf aktuelle Themen, welche man eigentlich kaum mehr als Anspielungen bezeichnen kann, denn dafür sind sie zu offensichtlich, zu allgegenwärtig, selbst inmitten der Phantasterei. Hierdurch fungiert das Buch mehr oder minder dezent als moralische Anstalt. Der übermächtige Feind ist der personifizierte Smog, den es zu bekämpfen gilt, es herrschen Vorurteile und Hetze gegen die "Fremden"- die Geister/Semigeister - und auch politische Korruption wird in diesem Jugendbuch angesprochen.

Fazit: Wer bei einem Fantasybuch epische Schlachten sowie tiefgründige und facettenreiche Charaktere sucht, der wird bei diesem urbanen Märchen nicht auf seine Kosten kommen. Natürlich gibt es "Action" - Ninjamülltonnen, eine Luftschlacht, die wilde Verfolgungsjagd über die Dächer UnLondons und auch die Gefechte mit den Smogjunkies und blutrünstigen Giraffen seien hier nur kurz erwähnt. Explizite Gewaltdarstellung und thrillerartige Spannung sucht man hier jedoch vergebens.
Wer seinen Spaß allerdings aus gekonnten Formulierungen und vielseitiger, deutlich überdurchschnittlicher Sprache zieht und Alternativ-Londonszenarien mit reichlich amüsanten, phantastischen Ideen mag, der sollte diesem Buch eine Chance geben.
Bedenken sollte der geneigte Leser auch, dass es sich "nur" um ein Young-Adult-Buch handelt, das aber auch dem betagteren Leser Freude bereiten kann - vor allem auch durch den schon angesprochenen Nostalgiefaktor.
Wer sich nun wundert, was es mit dem Titel "Un Lon Dun" auf sich hat, dem sei gesagt, dass dies eines der zahlreichen phonetischen Wortspiele des Autors ist und letztlich für nichts anderes als UnLondon selbst steht.

Linda Dannenberg



Taschenbuch | Erschienen: 1. Februar 2008 | ISBN: 9783404205882 | Originaltitel: Un Lun Dun | Preis: 8,95 Euro | 450 Seiten | Sprache: Deutsch

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