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Vor über fünfzig Jahren haben sich die Bewohner des kleinen Bergdorfs Marmorera dazu entschieden, dem Fortschritt nicht im Weg zu stehen. Sie sind umgesiedelt, haben ihre Häuser verlassen und das Dorf Marmorera wurde geflutet. Es ist einem Stausee gewichen, durch den noch heute die gesamte Region, inklusive Zürich, mit Strom versorgt wird. Manchmal aber, so raunt man hinter vorgehaltener Hand, taucht die Spitze des Kirchturms von Marmorera aus dem Wasser auf, und dann greift das Unglück um sich wie Wellen und fordert Tribut von den einstigen Bewohnern, die ihr Dorf im Stich gelassen haben.
Die Vorfahren des jungen Psychiaters Simon Cavegn stammen zwar selbst aus Marmorera, aber an solche Ammenmärchen glaubt der Mediziner natürlich nicht. Als er jedoch zusammen mit seiner frisch angetrauten Frau Paula ins "neue? Marmorera kommt, wird er mit Geschehnissen konfrontiert, die er mit seiner Logik nicht begreifen kann.
Alles beginnt, als er eher zufällig den leblosen Körper einer schönen jungen Frau aus dem Stausee birgt. Noch vor Eintreffen von Krankenwagen und Polizei stellt er am Ufer ihren Tod fest. Die Überraschung ist deshalb für ihn groß, als er drei Tage später in der klinischen Psychiatrie, in der er arbeitet, eine neue Patentin zugewiesen bekommt: die Frau aus dem Stausee - verwirrt und verwirrend, stumm, jedoch quicklebendig. Ein Mysterium umgibt die seltsame Fremde, der Simon den Namen Julia gibt und die, wie er bald feststellt, seiner Großmutter zum Verwechseln ähnlich sieht, die vor Jahren im Stausee von Marmorera ertrunken ist, deren Leiche jedoch nie gefunden wurde.
Julias Auftauchen ist nicht das einzig Ungewöhnliche: Die einstigen Bewohner von Marmorera werden nach und nach Opfer einer Serie bizarrer Unfälle. Als Simon bemerkt, dass sich auf den Videoaufzeichnungen, die er von seinen Sitzungen mit Julia macht, die Todesfälle ankündigen, ehe sie geschehen, gerät sein Weltbild ins Wanken. Er gerät immer mehr in Julias Bann, hört sie sprechen, obwohl sie stumm ist - sein Verstand verstrickt sich immer tiefer in dem wirren Mysterium um Marmorera. Obwohl die letzten Bewohner des Dorfes seltsam abgestumpft auf seine Fragen reagieren, ist er besessen von dem Gedanken, die Mordserie aufzuhalten, ehe er selbst oder seine Frau zum nächsten Opfer werden. Paula wiederum kann nur tatenlos zusehen, wie Simon sich mehr und mehr verändert und wahnsinnig zu werden droht.
Soweit zur Handlung von "Marmorera?, die zwar spannend klingt und eine solide Grundlage für einen packenden Mystery-Thriller bilden könnte, ihr Potential jedoch leider bei Weitem nicht ausschöpft. Die Zutaten mögen stimmen, trotzdem lässt der Film den Zuschauer seltsam kalt und unberührt. Die triste, unwirkliche und unbeteiligte Atmosphäre spiegelt zwar einerseits sehr gut die Gemütsfassung der ehemaligen Bewohner von Marmorea wider, eignet sich jedoch ganz und gar nicht dafür, ein Publikum über eineinhalb Stunden bei der Stange zu halten.
Ebenso qualitativ ambivalent wie die Umsetzung der Handlung selbst ist die Leistung der Schauspieler. Wenngleich die beiden weiblichen Hauptfiguren sehr stark besetzt wurden, können die männlichen Kollegen und der größte Teil der Riege an Nebendarstellern nicht mithalten. Szenen und Dialoge wirken viel zu oft hölzern und trist, es fehlt an Energie. Der Ehrenrettung der Darsteller halber muss jedoch hinzugefügt werden, dass es schwer fällt zu erkennen, ob diese Wirkung durch das Spiel oder aber eher durch ein sehr schwaches Drehbuch hervorgerufen wird.
Vielleicht wollten Produzent und Drehbuchautor einfach zu viel. Die Plotprämisse an sich ist sehr stark, jedoch scheint sie nicht konsequent zu Ende gedacht zu sein. Selbst jemand, der es schätzt, eigene Schlüsse ziehen zu können, sieht sich am Ende mit zu vielen unbeantworteten Fragen konfrontiert. Auch die zunehmende Verrücktheit Simons - an sich eine mutige und gute Idee - steigert den Schrecken um das Marmorera-Mysterium nicht, sondern wirkt eher kontraproduktiv.
Ebenso zwiespältig wie der Rest wirken die Spezialeffekte: Teilweise kommen sie sehr unheimlich und überzeugend daher, teilweise wirken sie so drittklassig und veraltet, dass man sich unweigerlich fragt, ob man durch bewusstes Weglassen gewisser Effekte vielleicht mehr erreicht hätte.
Der viel gerühmte und sogar preisgekrönte Soundtrack des Films hinterlässt tatsächlich mit den bleibendsten Eindruck: ein bisschen unheimlich, trist, insgesamt sehr passend. Hier hat der Komponist ein gutes Händchen bewiesen, obwohl das Hauptthema so oft eingesetzt wird, dass die Wirkung leider schnell verpufft und sich in der Beliebigkeit des Films verliert.
Im Making Of, welches neben zwei Trailern und einer Fotogalerie das einzige Extra der DVD bildet, erfährt man dann, dass "Marmorera? aus dem Wunsch des Produzenten heraus entstand, für die Tänzerin Eva Dewaele ("Julia?) einen Filmstoff zu entwickeln. Eher zufällig stieß man dabei dann auf die Legende um das geflutete Bergdorf. Vielleicht liegt darin das größte Problem des Films.
So erfreulich und begrüßenswert die Idee auch ist, einen deutschsprachigen Mystery-Thriller zu schaffen, und obwohl man es den Filmmachern hierzulande wirklich zutrauen darf: Mit "Marmorera? hat man dieses Ziel nicht erreicht. Für das Massenpublikum ist der Streifen zu genrelastig und für Mystery-Freunde nicht überzeugend genug. Ein Film also, den man nicht gesehen haben muss. Leider.