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Kaum ist Richter Di in den Nord-Provinzen des chinesischen Reiches in Amt und Würden, wird er mit einem besonders schwierigen Fall betraut. Ein Händler bittet ihn, seine Unschuld zu beweisen. Ihm droht der Strang, wenn einem Dorfwächter Glauben geschenkt wird, der ihn des Mordes an zwei weiteren Händlern bezichtigt. Da der Richter nach seinen Befragungen nicht weiterkommt, versucht er als Wanderarzt verkleidet einen weiteren Zeugen ausfindig zu machen.
Noch viel gefährlicher für den Richter selbst erweist sich sein Verdacht, der Tod eines alten Mannes, von dem er im Zuge seiner Ermittlungen Kenntnis erlangt, sei ein geschickt von der Witwe getarnter Mord. Er verhaftet die Frau und klagt sie des Mordes an. Doch auch unter Folter verweigert die Witwe ein Geständnis. Gelingt es dem Richter nicht, Beweise für einen Mord vorzubringen oder die Witwe zu einem Geständnis zu bewegen, droht ihm die der Frau zugedachte Todesstrafe.
Doch der Richter wird zu einer weiteren Ermittlung hinzugezogen. Eine Braut ist vergiftet worden. Besonders diffizil für den Richter sind nicht nur die Umstände der Tat, sondern die Verhältnisse der Familie. Da sie zur Oberschicht der Stadt gehört und über erhebliche Macht verfügt, ist es nicht leicht, die Ermittlungen voranzutreiben.
1949 brachte Robert van Gulik, außergewöhnliches Sprachtalent, Sinologe, niederländischer Botschafter und Autor einiger wissenschaftlicher Bücher, den Band
"Merkwürdige Kriminalfälle des Richter Di" heraus. Es handelt sich dabei um eine freie Übersetzung eines alten chinesischen Textes, der die historische Persönlichkeit des
Richters Di dokumentiert. Dieser berühmte Politiker, Richter und Gelehrte lebte in der Tang-Zeit von 630 bis 700 nach Christus. Robert van Gulik übersetzte diese Sammlung von Kriminalfällen jedoch nicht nur, sondern verlegte die Wirkungszeit des Richters in die Ming-Zeit von 1368 bis 1644. Denn der niederländische Gelehrte wollte nicht nur die historische Person dieses Richters wiederbeleben, sondern auch seine Kenntnisse der chinesischen Geschichte und der Zustände in diesen Zeiten einbringen.
Er versucht sowohl die ländlichen Bedingungen, unter denen die Menschen in der Ming-Zeit zu leiden hatten, zu beschreiben, als auch die Herrschaftsverhälnisse und politischen Bedingungen zu charakterisieren. Er bettet hierzu die historischen Kriminalfälle des Richters Di in ein fiktives Umfeld ein und versucht - zumindest in diesem ersten Buch über den Richter - die chinesischen Quellen so exakt wie möglich zu zitieren.
Wer sich mit dem schriftstellerischen Werk von Robert van Gulik auseinander setzen will, sollte unbedingt mit diesem ersten Roman - oder besser dieser ersten freien Übersetzung - beginnen. Denn sämtliche Fälle des Richters, sein beruflicher Werdegang, die Charakterisierung seiner Gehilfen und die Wendungen, die sein Leben nimmt, gründen auf dieser ersten Darstellung.
Ihr folgten aus der Feder des Niederländers in den nächsten Jahrzehnten dreizehn weitere Romane, zwei längere und acht kürzere Geschichten.
Besonderes Kennzeichen der Romane sind neben dem trockenen, sachlichen und klaren Stil des Autors die eingebetteten holzschnittartigen Zeichnungen, die jedes einzelne Kapitel begleiten. Sie sind aus der Feder van Guliks und dokumentieren die vorherrschende Kunstform der damaligen Zeit. Auch verschiedene Marotten des Autors, wie seine Liebe zu Affen, fließen in die Geschichten ein.
Wer Kriminalromane liebt, die auf die Intelligenz des Ermittlers, seine Intuition und detektivische Fingerfertigkeit setzen, ist bei Robert van Guliks "Richter Di-Romanen" richtig aufgehoben. Dass daneben einiges aus der chinesischen Geschichte eingebracht wird, bedeutet einen zusätzlichen Reiz dieser unkonventionellen Geschichten. Wer hat es schon vor oder nach van Gulik gewagt, Folter als legitimes Werkzeug der Ermittlung zu beschreiben oder auch die Bedeutung und das Wirken von Geistern in der damaligen Zeit und den Geisterglauben der Menschen in seine Geschichten einfließen zu lassen?