Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Michael Kleeberg, Jahrgang 1959, ist nicht nur Übersetzer (unter anderem für Marcel Proust aus dem Französischen und John Dos Passos aus dem Englischen) und Essayist, er ist darüber hinaus erfolgreicher Autor und wurde für seine Arbeit mit den Anna-Seghers- und Lion-Feuchtwanger-Preisen ausgezeichnet. Im August 2007 erschien mit dem Roman "Karlmann" sein jüngstes Werk bei DVA.
Gemeinsam mit seinen Freunden sitzt Karlmann "Charly" Renn, Sohn einer gehobenen Hamburger Familie, am Nachmittag des 7. Juli 1985 vor dem Fernseher und verfolgt gespannt den Wimbledon-Zweikampf zwischen dem 17-jährigen Deutschen Boris Becker und dem zehn Jahre älteren US-Amerikaner Kevin Curren. Sieg oder Niederlage. Die unglaubliche Zuversicht Beckers überträgt sich auf Charly, und den 3:1-Sieg des Deutschen deutet der junge Mann denn auch als gutes Omen für seine eigene Zukunft. Auch er ist heute ein Gewinner. Alles scheint möglich zu sein. Schließlich hat Charly am Vormittag seine Traumfrau Christine standesamtlich geheiratet, am Abend soll die von seinen Eltern organisierte Hochzeitsfeier in einem Nobelhotel stattfinden. Doch dann schenkt ihm sein Vater den Posten des Geschäftsführers seines Autohauses - und das passt nun so gar nicht in Charlys Zukunftspläne ...
Michael Kleebergs Werk "Karlmann" ist ein Gesellschafts-, vielleicht auch Generationenroman, dem man Zeit geben muss, der sich erst im Verlauf der Ereignisse entfalten kann. So beginnt dieses differenzierte Porträt der 1980er-Jahre ein wenig schleppend; etliche Seiten ziehen vorüber, bis man schließlich zur Gänze in die Erzählung hineingefunden hat. Dann jedoch erschließt sich dem Leser das Psychogramm eines Durchschnittsmenschen, das zwar nicht immer vollkommen überzeugend erscheint, das von Michael Kleeberg aber intensiv und tiefgehend ausgearbeitet wird und die Probleme, Gedanken und das Alltagsleben eines Normalbürgers widerspiegelt. Dabei bleibt der Rezipient allerdings stets hin- und hergerissen zwischen Sympathie und Antipathie für den Protagonisten Karlmann "Charly" Renn, mit dessen Charakter er sich nie wirklich identifizieren kann.
In fünf Kapiteln greift Michael Kleeberg exemplarisch fünf Tage der Jahre 1985 bis 1989 aus dem Leben Charlys heraus und konzentriert sich auf sportliche, politische, vor allem aber auch persönliche Geschehnisse und Ereignisse, die die Hauptfigur bewegen. Diese Momentaufnahmen kämpfen jedoch streckenweise mit ausufernden Beschreibungen, die die Erzählung allzu sehr in die Länge ziehen. Spannung und Abwechslung bleiben dabei leider immer wieder auf der Strecke.
Michael Kleebergs Sprache ist ohne Zweifel von hohem literarischen Wert, mit seinem Stil muss sich der Leser jedoch erst anfreunden. Zum einen verzichtet der Autor bei Dialogen auf jegliche Anführungszeichen, zum anderen lässt auch der beständige Wechsel der Erzählperspektiven von einem allumfassenden Blick über die Innensicht Charlys bis hin zu einer direkten Ansprache des Protagonisten den Text zunächst wirr erscheinen. Hinzu kommt der etwas eigenwillige Hinweis, der Roman sei "in alter Rechtschreibung, einzelne Abweichungen davon entsprechen dem Willen des Autors."
Fazit:
"Karlmann" bietet dem Leser ein vielschichtiges und interessantes Porträt nicht nur des Protagonisten Karlmann "Charly" Renn, sondern auch der 1980er-Jahre, verliert sich dabei jedoch allzu häufig in minuziös beschriebenen Szenen, die den Roman unnötig in die Länge ziehen.