Long Kai Duan ist eine arge Nervensäge. Dauernd quäkt und quengelt er und nie ist er mit dem Schälchen Milch und den wenigen Raupen und Larven zufrieden, die Ping ihm fängt. Hinzu kommt seine Neugier. Immer wieder muss Ping ihn retten und auf ihn aufpassen. Auch nagen an Ping Zweifel, ob sie alles richtig macht und wie sie den kommenden Winter allein mit Kai überleben soll.
Doch urplötzlich ist ihr karges Heim und die Zweisamkeit mit dem kleinen Drachenbaby dahin.
Ping spürt eine extreme Gefahr auf sich zukommen. Seit sie ihr Leben mit Danzi teilt hat sich ihre Gabe des "zweiten Gesichts" sehr verstärkt. Diesmal spürt sie, dass der Nekromant in der Nähe ist. Sie findet ihre Ziege mit durchgeschnittener Kehle und sieht sich plötzlich ihrem Todfeind gegenüber. Der gefährliche Magier will sein Drachenei wieder haben, dass Ping ihm gestohlen hatte. In letzter Sekunde kann Ping genug Qi konzentrieren, um den Nekromanten für einen Moment außer Gefecht zu setzen. Sie springt mit Kai in einen Teich und wird von ihm in die Tiefe gezogen.
Dank Kai findet sie tief unter der Wasseroberfläche eine Höhle, in der sich ein wenig Luft befindet. Als sie nach Stunden wieder auftaucht, ist der Nekromant verschwunden. Doch Ping weiß, dass sie in den Bergen nicht mehr sicher ist. Wenn sie der Nekromant einmal aufgestöbert hat, wird er sie auch ein zweites Mal finden. Doch kaum hat sie eine einsame Hütte gefunden, in der sie mit Kai den Winter verbringen will, stöbern sie die Soldaten des Kaisers auf und nehmen sie gefangen. Seit sie vor Monaten mit Danzi aus der Gefangenschaft geflohen ist, wird sie gesucht und sie ahnt, dass ihr für ihre Vergehen die Todesstrafe droht.

Nach dem Welterfolg "Hüterin des Drachens" 2003 schrieb Carole Wilkinson 2005 die Fortsetzung "Im Garten des Purpurdrachens", die im August 2006 auch in deutscher Sprache erschienen ist. Nahtlos knüpft die Handlung an den ersten Band an, kann aber auch ohne dessen Kenntnis gelesen werden. Die wenigen Sätze, die die kleine Ping über ihre Vergangenheit verliert, reichen aus, um sich in die nun folgenden Ereignisse einfinden zu können.
Doch ist es zweifellos um vieles besser, wenn man sich den ersten Teil zu Gemüte führt, ehe man sich mit Ping und Kai beschäftigt. Nicht nur, weil dann viele Handlungen der kleinen Ping klarer werden, sondern auch weil der erste Band um einiges besser ist als der zweite. Die Stringenz der Handlung, die Spannung und die sichere Hand, mit der die Autorin chinesische Lebensweise, Philosophie und Drachenkunde verbindet, ist wunderschön zu lesen und zu Recht eines der meist gelesenen und ausgezeichneten Bücher Australiens, der Heimat von Carole Wilkinson.

Der zweite Band braucht länger, viel länger, um zu begeistern. Ping und der kleine Kai werden vom Schicksal hin und her geworfen und es dauert bis zur Mitte des Buches, bis so etwas wie Spannung und Verständnis für die Handlungen der kleinen Drachenhüterin aufkommen. Dann aber kann man nicht mehr aufhören zu lesen und versinkt in der herrlich unkonventionellen, spannenden und sehr bewegenden Geschichte. Am Ende des Buches findet man eine Karte des Ming Yang Palastes, in dem die zweite Hälfte des Buches spielt und des alten Chinas zur Zeit Danzis und Kais.

Zwar wird wenig Philosophisches vermittelt und auch die Geschichte Chinas spielt kaum eine Rolle - doch allein der Charakter Pings fesselt so sehr, dass man dieses Mädchen so schnell wohl nicht wieder vergessen wird.
Selten ist eine Geschichte so sehr geeignet von Zwölfjährigen wie Erwachsenen gelesen zu werden. Jüngere Kinder sollten angesichts der recht grausamen Geschehnisse und der Gnadenlosigkeit, mit der die Gegner Pings versuchen, ihre Ziele durchzusetzen, nicht in den Genuss dieses chinesischen Drachenmärchens kommen.

Und nach der Lektüre will man unter Garantie nur noch eines, nämlich wissen, wie es weiter geht mit Kai und Ping! Und da Carole Wilkinson diese Geschichte als Trilogie angelegt hat, steht dem auch nichts im Wege - wenn man bis zur Veröffentlichung des dritten Bandes warten kann. Doch wann dies sein wird, steht noch in den Sternen, immerhin ist die englische Ausgabe von "Garden of the Purple Dragon", dem zweiten Teil, bereits 2005 erschienen.