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Wir befinden uns in den Vereinigten Staaten von Afrika. Hier herrschen Wohlstand und Fortschritt und das Leben ist angenehm. Die afrikanischen Finanzmärkte geben den Takt vor und bezahlt wird weltweit mit der AfriCard. Afrikanische Universitäten bilden die Elite der Wissenschaft aus. In anderen Kontinenten dagegen bestimmen Elend, Krieg und Hunger das Tagesgeschehen und zahlreiche Flüchtlinge treten die Reise ins "gelobte Land" an. Verzweifelt stranden die Euramerikaner an den Grenzen Tunesiens und Algeriens und werden erschöpft und halbtot an den Küsten Nordafrikas aufgegriffen. Als Bettler und Prostituierte fristen viele ein karges Dasein, ohne Hoffnung, am Rande der Gesellschaft, und sind der Willkür des Staates ausgeliefert.
Die Künstlerin Maya hatte Glück. Sie wurde in der Normandie geboren, dort von einem wohlwollenden afrikanischen Ehepaar adoptiert und von diesem mitgenommen nach Asmara. Hier wächst sie in einer wohlhabenden Familie auf und wird von ihrem Stiefvater, einem Arzt, in verschiedenen Künsten unterwiesen. Sie selbst beginnt zu schreiben, zu malen und Skulpturen zu schaffen. Als ihre Adoptivmutter stirbt, begibt sie sich auf die Suche nach ihren Wurzeln. Sie fährt nach Frankreich und entdeckt das Ausmaß menschlichen Elends in Europa. Es gelingt Maya ihre leibliche Mutter wiederzufinden und für diese zu sorgen. Sie ist dann aber doch erleichtert, als sie der Armut und der Not wieder den Rücken zukehren kann und ohne Zwischenstopp fliegt sie zurück, um den Gang der Ereignisse aus der Ferne, mit Distanz, weiter zu beobachten.
Abdourahman A. Waberi wurde 1965 in Dschibuti, Nordostafrika, geboren. Er studierte Englisch in Frankreich, wo er auch heute lebt und unterrichtet, als Journalist und Rezensent arbeitet und einen Verlag im Bereich afrikanische Literatur berät. Dennoch fühlt er sich als Zeitgenosse seines Landes und bleibt diesem in seinen literarischen Werken verpflichtet. Von seinen Veröffentlichungen wurde der Erzählband "Cahier Nomade" unter dem Titel "Die Legende von der Nomadensonne" ebenfalls ins Deutsche übersetzt sowie der Roman "Balbala".
Das Buch ist in fünf Teile gegliedert und in diesen vertauscht Abdourahman A. Waberi die Vorzeichen der bestehenden Nord-Süd-Konstellation und erzählt die Geschichte der Künstlerin Maya, auch liebevoll Malaika genannt. Entstanden ist eine Satire, die ohne Übertreibung, ohne Bissigkeit und Bösartigkeit, einzig und allein durch die Neuetikettierung derzeitiger Gegebenheiten, eine Atmosphäre erzeugt, die unter die Haut geht und Betroffenheit auslöst. Waberi beschreibt mit sicheren und treffenden Worten die Verhältnisse in Amerika und Europa mit Begriffen, die sonst nur im Zusammenhang mit Dritte-Welt-Ländern in Gebrauch sind. So ist die Rede von den "verseuchten Favelas Zürichs", "Flüchtlingen verschiedenster Ethnien", gemeint sind etwa Österreicher, Kanadier und Briten, oder "dem Verschlag eines verlausten germanischen Zimmermannes".
Vor diesem Hintergrund wird die Geschichte von Maya erzählt, dem Adoptivkind aus dem "unterentwickelten" Europa, das nun als Künstlerin tätig ist. Waberi lässt einen Erzähler berichten, der weitgehend im Unbekannten bleibt und welcher mit der Protagonistin in vertrautem "du" spricht. Als weitere Person taucht der Geliebte Mayas in deren Gedanken oder eigenen Briefen auf. Dadurch entsteht eine Nähe wie beim Lesen privater Korrespondenz oder dem Tagebuch einer Person.
Auch der Kunst widmet Waberi einen ganzen Teil: "Reise ins Herz des Ateliers". Hier erfährt der Leser viel über die Künstlerin Maya und ihre Art, Kunst zu schaffen, davon, wie sie durch die Dünen läuft und Sätze und Bilder in sich aufsteigen lässt. Vielleicht spricht Waberi hier auch von seinem eigenen Kunstschaffen. Immer wieder werden afrikanische Künstler vorgestellt, Maler, Autoren und Musiker. Ein siebenseitiges Personenverzeichnis im Anhang, welches der Übersetzerin zu verdanken ist, bietet Übersicht und weitere Information.
Waberi benutzt in seinem Buch eine sehr poetische und bildhafte Sprache und seiner Meinung nach muss nicht alles beschreibend beim Namen genannt werden. So schreibt er etwa vom "Firmament von leuchtenden Streifen Sternenstaubs gesäumt". Er schließt sich damit auch der Erzähl- und Märchentradition Afrikas an. Seine Sprache lässt sich Zeit, verzaubert und ist voller Mehrdeutigkeiten, Wortspiele und Anspielungen, welche sich sicher nicht leicht in eine andere Sprache übersetzen ließen.
Ein rundum gelungenes und ansprechendes Buch voller Schönheit und Tiefsinn also, das Lust auf mehr vom Gleichen macht und vom Können seines Autors zeugt. Bleibt zu hoffen, dass auch noch andere seiner Werke ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht werden.