Wie in der Moderne hing auch in der Antike der Grad der sexuellen Freizügigkeit von der jeweiligen Epoche ab. Dies gilt vor allem auch für die Kunst. In der griechischen Antike galten erotische Abbildungen und Plastiken durchaus als Anregungen. Sie finden sich über Jahrhunderte in zahlreichen Zeugnissen, oft auf Weinschalen, Amphoren und anderen Gegenständen des täglichen Gebrauchs.
Die Autorin unterteilt das Buch in Abschnitte, die auf einzelne Aspekte der Erotik eingehen. Eingangs wird zunächst der Begriff der Erotik einer Prüfung unterzogen: Was unterscheidet Erotik von Sexualität und Pornographie? Wie wird Erotik in der antiken griechischen Kunst dargestellt?
Zu den wesentlichen Abschnitten des Buches zählen jene über die Gottheiten Aphrodite und Dionysos, wobei die Autorin auch intensiv auf die erotisch aufgeladenen Darstellungen von Satyrn und Silenen eingeht, über "Erotik und männliches Genital" - der Phallus spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle in der griechischen Kunst und Mystik - sowie über die erotischen Beziehungen zwischen Hetären und Männern, von denen zahlreiche, sehr unterschiedlich inspirierte Abbildungen vor allem auf Schalen existieren.
Doch auch sexuelle Praktiken, Selbstbefriedigung, so weit auf Kunstwerken erkennbar oder hineininterpretierbar, Mythen mit erotischen Inhalten, Homoerotik, Erotik im Zusammenhang mit Tieren und Tod und manch andere Themen werden im Buch angeschnitten. Den Abschluss bildet eine Reihe von Kapiteln über Eros selbst.

Im vorliegenden Buch begegnen dem Leser Abbildungen einiger der berühmtesten antik-griechischen Kunstwerke, oftmals jedoch auch weniger bekannte, die im Zusammenhang mit dem Thema Erotik Beachtung verdienen. Die Abbildungen sind häufig wunderbar großformatig, immer jedoch von angemessener Größe, sodass die relevanten Details - so schlüpfrig dies im Kontext klingen mag - gut erkennbar bleiben. Auch lässt die technische Qualität der Abbildungen nichts zu wünschen übrig. Zu jeder findet man eine aussagekräftige, informative Beschreibung.
Dennoch handelt es sich nicht in erster Linie um einen Bildband. Der Autorin geht es vor allem darum, den Umgang der Griechen in der Antike mit Erotik und Sexualität zu schildern, das heißt, diesen aus Kunstwerken und Schriften abzuleiten, wobei sie berechtigterweise Vorsicht walten lässt. Denn nicht alles, was auf Gebrauchsgegenständen abgebildet ist, muss zwingend der landläufigen Praxis entsprechen; schließlich wollten die Künstler auch damals ihre Produkte verkaufen und gingen daher sicherlich auf Moden und "Trends" ein.
Hauptsächlich jedoch basieren die Ausführungen der Autorin auf Kunstwerken: Schalen, Wassergefäße, Amphoren, Statuen, Kannen, Näpfe und andere Gegenstände schildern unterschiedlichste Facetten der Erotik. Nicht abgebildete, für das Thema jedoch relevante Kunstwerke beschreibt die Autorin sehr anschaulich. Ohne Spekulation, vorurteilsfrei und keineswegs ohne trockenen Humor, dabei immer sachlich und logisch fasst sie die Spielarten menschlicher Erotik zusammen, wie man sie in der Antike Griechenlands kannte und offensichtlich praktizierte beziehungsweise Göttern und anderen mythischen Figuren wie den Satyrn und Nymphen zuschrieb.
Der offene Umgang mit der Erotik, wie man ihn auf altgriechischen Gebrauchsgegenständen zuhauf vorfindet, überrascht selbst uns moderne, in dieser Hinsicht tolerante Menschen. Auf uns wirken die Darstellungen oftmals weniger anregend als auf die damalige Zielgruppe, zumal es sich nicht selten um manierierte Darstellungen handelt und uns auch das Frauenbild der griechischen Antike insgesamt recht fremd anmutet. Die Schönheit dieser Kunst aber und ihre Bedeutung im sozialen, kulturellen wie historischen Kontext vermag Angelika Dierichs perfekt zu vermitteln. Nicht zuletzt gibt der hochwertig und attraktiv aufgemachte Band einen bemerkenswerten Eindruck der altgriechischen Kultur in ihrer Gesamtheit, die wesentlich vom griechischen Pantheon und einer rigiden Gesellschaftsordnung geprägt war.
Ein Buch, das spannend, informativ und kurzweilig verfasst ist und darüber hinaus mit faszinierenden, sorgfältig ausgewählten und das Thema perfekt illustrierenden Abbildungen aufwartet - und damit ein vorbildlich präsentiertes Stück Geschichte!