Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Humor | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Ton | |
Dem 2002 in Frankreich und 2007 in Deutschland erschienenen Roman "Die schwarzen Wasser der Seine" hat "Der Audio-Verlag" zwei Geschichten entnommen und leicht gekürzt von Suzanne von Borsody vortragen lassen.
"Fünf Francs das Stück"Der Obdachlose "Pi" - der Rest seines Namens verschwand, als er als Säugling bei der Fürsorge abgegeben wurde und ein wenig Kaffee die Angaben über seinen Vornamen verwischten - beobachtet den Mordversuch an einer jungen Frau. Da die in einen edlen Pelz gekleidete Dame ihn aber nicht beachtet, will auch Pi ihr keine Beachtung schenken - respektive Angaben dazu machen, was er beobachtet hat. Kommissar Jean-Baptiste Adamsberg muss schon alle Register seines Könnens ziehen, um Pi davon zu überzeugen, der Frau doch ein wenig seiner Aufmerksamkeit zu gönnen.
"Die Nacht der Barbaren" Weihnachten. Für Adamsberg eines der schrecklichsten Feste, bei dem Gewalt, Brutalität und Unmoral fast zwangsläufig zu schlimmen Entgleisungen führen. Er zeigt sich kaum überrascht, als man zwei Tage später die Leiche einer Frau aus der Seine fischt. Nach Angaben der Gerichtsmedizin fiel sie am Weihnachtsabend in den Fluss. Danglard, Adamsbergs Untergebener, will den Fall als Selbstmord zu den Akten legen - an Weihnachten bringen sich die Leute eben sehr häufig aus geringstem Anlass um -, doch Adamsberg hält den Fall für einen klaren Mord. Erstens fehlt der Leiche ein Schuh, zweitens fehlt die Handtasche der Frau. Doch findet die Polizei weder ein Motiv noch einen Tatverdächtigen. Adamsberg aber bleibt dabei, es war Mord. Unverhofft erhält er von völlig unerwarteter Seite Rückendeckung und hat plötzlich Motiv und Mörder.
Wer die französische Autorin Frédérique Audoin-Rouzeau, die unter dem Künstlernamen Fred Vargas äußerst erfolgreiche Kriminalromane schreibt, nicht kennt, wird sich erstaunt die Augen reiben. Diese zwei Kriminalfälle verdienen kaum diesen Namen. Es sind eher Charakterstudien des Kommissars Jean-Baptiste Adamsberg als Krimis. Es geht nicht um eine Ermittlung, Zeugenbefragungen und die Suche nach Indizien oder dem Täter, es geht um die Art der Herangehensweise durch den Kommissar. Und die ist bei Fred Vargas ganz anders, als man sich dies landläufig vorstellt. Ihr auf Intuition und Menschenkenntnis setzender Ermittler bricht mit sämtlichen Konventionen, ermittelt nicht, sammelt nicht, gefällt nicht durch Detailkenntnis. Er sitzt schlicht nur da, geht spazieren und unterhält sich. Er kommt zu seinen Schlüssen, indem er sich eben nicht auf Details und Listen, Befragungen und Fakten konzentriert, sondern indem er wartet, bis sich ihm der Fall darbietet, sich ihm die Lösung aufdrängt.
Für Kenner der Autorin ist dies gerade der Reiz ihrer außergewöhnlichen Romane. Ihre komplexen Fälle, ihre oft kryptisch verdrehte Handlung, ihre enorme sprachliche Gewandtheit gehen einher mit perfekt konzipiertem Spannungsbogen und dichter Atmosphäre.
Hier nun zwei Kurzgeschichten. Beide glänzen mit exakt ausgearbeiteten Charakteren und verlassen sich ganz auf ihren Hauptdarsteller. Im ersten Fall entwirft die Autorin ein spannendes, in erster Linie aber sehr humorvolles Rededuell zwischen einem Obdachlosen und Adamsberg, im zweiten lässt sie die Eigenart des Kommissars, einen Fall in seiner Gänze, quasi als Bild, wahrnehmen zu können, in den Vordergrund treten.
Dies ist sehr unterhaltsam geschrieben und äußerst interessant von Suzanne von Borsody vorgetragen. Ihr gelingt es, die humorvollen Zwischentöne ebenso hörbar zu machen wie die triste Grundstimmung des Kommissars, der ohne Illusionen die Schwächen der menschlichen Natur offenlegt.
Für Neueinsteiger in das Werk von Fred Vargas ist "Die schwarzen Wasser der Seine" gänzlich ungeeignet. Für ihre Fans jedoch ein Juwel. Diese sollten sich - trotz des hohen Preises - unbedingt einmal diese beiden Geschichten anhören.