Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Bildqualität | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Farben als Ausdrucksmittel, eine neuartige Arbeit mit Lichteffekten, verwischte Konturen, ein scheinbar flüchtiger Farbauftrag, Motive aus dem Alltag: Impressionistische Malerei erkennt jeder, der sich auch nur ein wenig für Kunst interessiert. Ebenso vermag praktisch jeder ein, zwei Handvoll bedeutende Maler des Impressionismus aufzuzählen.
Frauen findet man in solchen Aufzählungen praktisch nie, und doch gab es vier Malerinnen, die inmitten der impressionistischen Bewegung standen, sich von ihr beeinflussen ließen und ihr ebenso ihren Stempel aufdrückten: Berthe Morisot, Mary Cassatt, Eva Gonzalès und Marie Bracquemont. Im ersten Halbjahr 2008 fand in der Frankfurter Schirn eine viel beachtete und enorm gut besuchte Ausstellung zu diesen vier Künstlerinnen statt. Das vorliegende Buch dient als Ausstellungskatalog.
Die bereits angeschnittene Ignorierung der vier Malerinnen beziehungsweise deren Rezeption wird im ersten Textbeitrag genauer untersucht. Darauf folgen Abbildungen der in der Ausstellung vertretenen Werke, angeordnet nach den Künstlerinnen in der oben genannten Reihenfolge. Eingeleitet werden die Abschnitte zu jeder Malerin durch Aufsätze, die sich mit Aspekten der Arbeit der jeweiligen Frau befassen oder diese interpretieren; über Morisot und Cassatt findet man weitere Essays innerhalb des ihnen zugeordneten Abschnitts. Es geht in diesen Textbeiträgen beispielsweise um die Darstellung von Arbeit und Freizeit in der impressionistischen Malerei, um eine Gegenüberstellung von Gonzalès und Toulouse-Lautrecs Einsatz der Farbe Rot und um eine Interpretation von Cassatts Mutter-Kind-Bildern mit ihren ausdrucksstarken Abbildungen von Berührungen und Blicken. Auch sieben Briefe von Cassatt an Morisot und deren Tochter wurden abgedruckt. Ein abschließender Beitrag befasst sich mit dem "Kampf der Künstlerinnen um berufliche Anerkennung in der Kunstwelt des 19. Jahrhunderts".
Das Buch enthält selbstverständlich auch die Biografien der Künstlerinnen, eine Übersicht über die in der Ausstellung vertretenen Werke einschließlich der Seite, auf der sie im Buch zu finden sind, sowie eine Bibliografie.
Ein Ausstellungskatalog, und mag er noch so hervorragend realisiert sein, ersetzt natürlich nicht den Besuch einer Ausstellung. Dennoch eignet sich das vorliegende Werk nicht nur zur Vor- und Nachbereitung des Ausstellungsbesuchs, sondern ganz vorzüglich auch für "Nichtbesucher" dazu, sich eine Übersicht über das uvre der vier Malerinnen zu verschaffen und anhand der Aufsätze ihre Stellung innerhalb der impressionistischen Kunst und Epoche, ihre Biografien - nicht frei von Dramatik - und künstlerische wie persönliche Entwicklung, ihre Vorbilder, ihre in den Bildern zum Ausdruck kommende Sicht auf ihre Umwelt und den Einfluss ihrer sozialen Stellung mit allen Einschränkungen, denen auch bürgerliche Frauen aus betuchten Familien des 19. Jahrhunderts unterworfen waren, kennen zu lernen.
Die Frage "Malen Frauen anders?" lässt sich nach der Lektüre des Buchs mit Ja beantworten, auch wenn es keine einheitliche Antwort auf die logisch darauf folgende Frage geben kann, inwiefern diese vier Damen anders malten als ihre männlichen Kollegen und Freunde. Cassatts Motivwahl und Technik unterscheiden sich zum Beispiel intensiv von Morisots; Cassatt etwa malte relativ häufig ältere Menschen, was sie von den anderen Impressionisten unterscheidet. Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten, die im Buch herausgestellt werden, zum Beispiel, dass jede der vier Malerinnen eine Schwester hatte, die häufig für sie Modell saß.
Während die in der Ausstellung angebotenen kurzen Informationen zu den bedeutendsten Exponaten im Katalog beziehungsweise Buch nicht abgedruckt wurden - vermutlich, um den Umfang nicht zu sprengen -, bieten die wiederum in der Ausstellung nicht vorgestellten Essays aus dem Buch eine wahre Fülle an interessanten Hintergrundinformationen und Interpretationen. Abbildungen von nicht ausgestellten Werken auch anderer, männlicher Künstler innerhalb dieser Textbeiträge sorgen zudem für Anschaulichkeit.
Die Abdrucke der ausgestellten Bilder sind von bester Qualität: Bei manchem Ölbild von Morisot etwa ist man versucht, über das Papier zu streichen, da die üppig pastos aufgetragenen Pinselstriche so erhaben wirken wie beim Original. Fast immer findet man ein Werk pro Seite vor, je nach Format des Originals möglichst groß reproduziert. Selbstverständlich erhält der Betrachter auch alle relevanten Angaben zum abgebildeten Kunstwerk.
Der Erfolg der Ausstellung kommt nicht von ungefähr, und das Buch als ihre bleibende "Essenz", ergänzt um die für jeden Impressionismus-Freund wertvollen, sehr informativen Essays, verdient entsprechende Beachtung: Es vermag dank der Würdigung des Weiblichen im Impressionismus ein neues Licht auf diese Kunstepoche zu werfen, es glänzt sowohl durch griffige Zusammenfassungen als auch durch zahlreiche wissenswerte Details, und es ist ansprechend aufgemacht und enthält eine Vielzahl von Abbildungen in bester Qualität.