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Im deutschsprachigen Raum existiert nur wenig Lektüre rund um den Genozid, der Mitte der Neunziger Jahre in Ruanda, einem kleinen Land im Osten Afrikas, stattfand. Die bestehenden Bücher listen zumeist nüchtern und objektiv Fakten auf, können auch eine eingehende Bewertung vorweisen, schaffen es aber nicht, dem Leser die tatsächlichen Ausmaße des Völkermordes zu verdeutlichen. Mit dem vorliegenden Buch erhält der Leser einen Einblick in das innere Gefüge der UNO, kann sich in die Lage der Blauhelmsoldaten vor Ort hineinversetzen und erfährt mehr über die Gräueltaten, denen sie in ungezählten Fällen machtlos beiwohnen mussten. Zweifelsohne kann "Handschlag mit dem Teufel" kein Sachbuch ersetzen. Aber auch ohne Vorkenntnisse zur Lage in Ruanda 1994 lässt sich das Ausmaß des Unrechts in Ruanda mithilfe dieses Buches nachvollziehen.
General Dallaire erfährt kurzfristig von seinem geplanten Einsatz in Afrika. Nach kurzem Überlegen sagt er zu und übernimmt das Kommando über die noch zu schaffende UN-Mission für Ruanda (UNAMIR; United Nations Assistance Mission for Rwanda). Als Kommandeur eines bunt zusammengewürfelten Kontingents ist er täglich mit den Unwägbarkeiten der ruandischen Politik konfrontiert. Ruanda ist gebeutelt von einem zermürbenden Bürgerkrieg, tatsächlich jedoch kein Krieg zwischen den größten Bevölkerungsgruppen Hutu und Tutsi, sondern zwischen der ruandischen Regierung und einer Rebellenorganisation (RPF; Ruandische Patriotische Front).
Nachdem die RPF stetig Raum gewinnt und schon bald vor den Toren der Hauptstadt Kigali steht, eskaliert die Lage in den unübersichtlichen Stadtteilen. Durch extremistische Radiopropaganda angestachelt, beginnen Bürgermilizen, Sicherheitskräfte und das Militär eine gnadenlose Jagd auf alle Tutsi. Hierbei machen sie sich die von den belgischen Kolonialherren eingeführten Ausweise zunutze und massakrieren Tausende von Bürgern. Die Gewalt ist dermaßen zügellos, dass es den erfahrenen Militärs permanent in den Fingern juckt, durch den fehlenden Handlungswillen der UNO sind ihnen aber die Hände gebunden. Die internationalen Verstrickungen und Rivalitäten innerhalb der UNO verhindern desweiteren ein wirksames und zielgerichtetes Vorgehen gegen die extremistischen Kräfte im Land. Am Ende des Konflikts haben über eine Million Ruander ihr Leben gelassen ...
Bei "Handschlag mit dem Teufel" handelt es sich weniger um eine Biografie, sondern eher um eine Art Dienst-Tagebuch. Man kann den Ausführungen von Dallaire sehr bequem folgen, da es ihm gelingt die groben Zusammenhänge der ruandischen Politik, aber auch das Mikromanagement der UNO auf ein verständliches Maß herunterzubrechen. Die im Text auftretenden Abkürzungen werden stets erklärt und wenn nötig hilft der Übersetzter mit erklärenden Fußnoten weiter.
Wie eingangs erwähnt, kann das vorliegende Buch kein Sachbuch ersetzen, jedoch die bestehende Literatur ergänzen.
Ein gutes Drittel des Textes ist der Zeit vor dem Völkermord gewidmet und beleuchtet die komplexen politischen Verhältnisse in Ruanda. Es kann mitunter hilfreich sein, rudimentäre Vorkenntnisse zum Geschehen in Ruanda zu haben, um die vielfach sehr ausführlichen Schilderungen von Dallaire im Gesamtkontext als UN-Truppen-Kommandeur richtig einzuordnen. Aber auch ohne diese Kenntnisse sind die Schilderungen hinreichend aufrüttelnd und können dem Leser den Appetit gehörig verderben.
Das Buch umfasst 651 Seiten und beinhaltet neben den Tagebuchaufzeichnungen auch ein ausführliches Nachwort, Kommentare zur Lage damals und zur gegenwärtigen Situation in der Region, ein gut sortiertes Glossar und weiterführende Lektüreempfehlungen.
Mit diesem sehr umfangreichen Buch erhält der Leser für annähernd 25 Euro einen lesenswerten Tatsachenbericht, dem man nicht nachsagen kann, er wäre leicht verdaulich. Wer sich für den Genozid in Ruanda interessiert, sollte "Handschlag mit dem Teufel" in seinem Regal stehen haben.