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Oft belächelt und selten literaturwissenschaftlich diskutiert, ist die Kinder- und Jugendliteratur gerade in Studiengängen der Anglistik oder Amerikanistik eine Randerscheinung geblieben. Dies muss verwundern, gehören doch viele Klassiker für Kinder und Jugendliche zu den meistgelesenen Werken überhaupt. In seiner Einführung "Englische Kinder- und Jugendliteratur" geht Thomas Kullmann, seines Zeichens Professor für anglistische Literaturwissenschaft an der Universität Osnabrück, auf dieses oft vernachlässigte Arbeitsgebiet ein.
Das Buch beginnt mit zwei einleitenden Kapiteln, die grundlegende Fragen klären: Welche Bedeutung ist der englischen Kinder- und Jugendliteratur in einem weltweiten Maßstab beizumessen? Was ist eigentlich unter dem Überbegriff Kinder- und Jugendliteratur zu verstehen? Und welche Zugänge gibt es, um sich dem Thema zu nähern? Das dritte Kapitel behandelt zentrale und immer wieder aufgegriffene Themen und Motive in Kinder- und Jugendbüchern. Anschließend stellt Kullmann in zwei weiteren Abschnitten die beiden Hauptströmungen der englischen Kinder- und Jugendliteratur vor, die er grob in realistische und phantastische Erzählungen und fein in zahlreiche untergeordnete Strukturen aufspaltet. Kapitel sechs bietet einen chronologischen geschichtlichen Abriss: Von den Anfängen, die Kullmann im 17. Jahrhundert findet, bis in die heutige Zeit klärt der Autor hier die historischen Einflussfaktoren auf Kinder- und Jugendliteratur und wie diese sich auf die Bücher auswirkten. Das siebte und letzte Kapitel ist nur eineinhalb Seiten lang und als zusammenfassendes Fazit konzipiert. Ein Primärtextverzeichnis sowie ein Stichwortregister schließen das Buch ab.
Wer hat nicht einmal über Winnie-the-Pooh und die seltsamen Marotten seiner Freunde gelacht? Wer hat nicht Alice ins Wunderland begleitet? Wer kennt nicht die Abenteuer des liebenswerten Rabauken Tom Sawyer? Und welches heutige Kind würde nicht gerne einmal in dem altmodischen Zug sitzen, der nach Hogwarts fährt? Kinder- und Jugendliteratur ist fest in unserer Kultur verankert und prägt die Lesegewohnheiten mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Kinderbücher sind es, die wir in jungen Jahren begeistert verschlingen, und sie sind es auch, an die wir uns im Erwachsenenalter immer noch genau erinnern. Gerade aus der englischsprachigen Welt kommen viele Werke, die international bis heute populär sind - und auch viele weniger bekannte Werke, die mit Sicherheit mehr Beachtung verdienen. Wer sich auf einer wissenschaftlichen Ebene mit dem Phänomen der englischen Kinder- und Jugendliteratur beschäftigen will, sollte Thomas Kullmanns Einführung zu dem Thema nicht verpassen. Dem Literaturwissenschaftler gelingt es nämlich, dieses oft unterschätzte Untersuchungsfeld umfassend - mehr als hundert Kinderbücher werden angesprochen - und vor allem verständlich zu erschließen, sodass der geneigte Leser einen guten Überblick über wichtige Werke, Einstiegsmöglichkeiten, Geschichte und hervorstechende Charakteristika erhält. Die Struktur des Buches vermag zu überzeugen und ist vollkommen nachvollziehbar. Ebenso positiv zu erwähnen ist Kullmanns Stil, der präzise und gut lesbar bleibt, ohne jemals den wissenschaftlichen Anspruch zu verlieren. Interessanterweise behandelt der Autor auch Bücher, die gemeinhin als Trivialliteratur abgetan werden - unter anderen die "Harry Potter"-Reihe oder Tolkiens "The Hobbit". Und das mit gutem Grund, wie Kullmann in der Einführung auch erläutert. Natürlich kann "Englische Kinder- und Jugendliteratur" in vielerlei Hinsicht weiterführende Zusammenhänge nur andeuten, jedoch ist dies einer erklärten Einführung keinesfalls als Mangel anzulasten. Die Ansprüche, die man an das Buch stellen kann, erfüllt es in jeder Hinsicht: In klar gegliederter Form gibt es einen für fachlich interessierte Leser einfach verständlichen Einblick in das Thema, erklärt grundlegende Konzepte und stellt viele Bücher und ihre Eigenheiten vor. Somit eignet es sich als Begleitliteratur für Einführungskurse zur Kinder- und Jugendliteratur der englischsprachigen Welt, zur Vorbereitung von thematisch verwandten Hausarbeiten oder einfach zur eigenen Lektüre, wenn man einen tiefgreifenderen Umgang mit Kinder- und Jugendbüchern pflegt. Dabei ist das Buch flüssig geschrieben und stilistisch einwandfrei, sodass keine Schwachstellen erkennbar sind.
Fazit: Sehr gelungene Einführung: vorbildlich strukturiert, gut lesbar, sehr umfassend - ein Tipp für alle, die sich erstmals mit dem Thema auseinandersetzen.