William Gibson hat mit dem Cyberpunk einst neue Maßstäbe gesetzt, die Science Fiction und sicherlich auch einen Teil unserer Kultur verändert. David Nathan liest nun drei seiner Kurzgeschichten vom Anfang der Achtziger Jahre. Kurzgeschichten, die das klassische Noir-Genre mit Science Fiction verbinden.


Der mnemonische Johnny

Johnny ist Datenkurier, einer, der eingebaute Festplatten in seinem Körper mit sich rumträgt, der Daten abspeichert und sie auf Passwort wieder herunterleiert. Johnny ist allerdings von seinem Auftraggeber übers Ohr gehauen worden, und das ist Grund genug, diesen mit einem Gewehr in der Sporttasche aufzusuchen.
Leider muss Johnny erkennen, dass er Daten gespeichert hat, die recht brisant sind, Daten, die der Yakuza gehören, und die wollen nicht, dass er in irgendeiner Weise die Möglichkeit haben soll, diese Daten zu nutzen. Glücklicherweise hilft eine junge Dame Johnny, die auch einige Tricks auf Lager hat ...

New Rose Hotel

Fox und X versuchen einen Wissenschaftler von seinem Konzern wegzulotsen. Um diesen Hiroshi zum Wechsel zu überreden, arbeiten sie mit Sandii zusammen, einer Prostituierten. X, der Erzähler, verliebt sich in Sandii, er erzählt die Geschichte aus der Rückschau mit Überbleibseln von ihr in der Hand. Der Überlauf funktioniert, aber Sandii spielt ein anderes Spiel ...

Chrom brennt

Bobby und Jack - der Ich-Erzähler - sind Hacker, Bobby ist für die Software zuständig, Jack, der Typ mit dem abnehmbaren Arm, für die Hardware. Für Rikki gehen die beiden auf einen ungeheuren Raubzug, sie erleichtern "Chrome" um all ihr Geld. Rikki will ganz groß rauskommen und braucht dafür noch neue künstliche Augen, und die sind teuer. Bobby und Jack nehmen als romantische Ritter den Kreuzzug gegen jede Menge feindliches EIS auf, die Software, die solche wie sie aus den Datenspeichern heraushalten soll.


Cyberpunk ist eine Science Fiction-Richtung, die heute fast ausgestorben scheint - kein Wunder, leben wir doch in einer Zeit, in der ein gar nicht so unbeträchtlicher Teil der damaligen Utopien schon wahr geworden ist. Zwar sind wir noch nicht körperlich ans Internet angeschlossen, tragen auch nur selten Chips im Körper, aber das Internet selbst ist so eine Sache, die William Gibson vorausahnte.
In seiner Zukunft tragen Menschen veränderte Körperteile, synthetische Augen und Arme, lassen sich das ganze Gesicht umoperieren - zumindest letzteres soll ja immer noch hier und da Mode sein. Bei Gibson ist alles dunkel und meistens auch dreckig, Moral gibt es nicht mehr, alles wird von Informationen und ihrem Wert regiert. In dieser dunklen Zeit, gar nicht so unähnlich den Zeiten, in denen der Film Noir spielt, Privatdetektive wie Philipp Marlowe einsam auf Jagd gehen, gibt es aber eben doch Geschichten, die es sich zu erzählen lohnt, immer mit einer kleinen bösen Spitze, immer mit dem weichen Herzen, das unter der spröden Schale verborgen liegt. Wie so oft ist die Science Fiction aber nicht so ganz zeitlos, und für Hörer, die noch nie etwas mit Cyberpunk zu tun hatten, werden diese Geschichten oft verwirrend sein. Manches wirkt ein bisschen veraltet, aber die starke Atmosphäre der Geschichten kann immer noch faszinieren.
David Nathan gehört zu den besten Synchronsprechern und Vorlesern, die wir haben, mit feinem Ton, recht nüchtern, präzise und immer fesselnd. Durch seine Lesung bekommt die Atmosphäre noch einen zusätzlichen Kick.
Ein spezielles Hörbuch, nicht unbedingt für jeden etwas, aber keine Frage, sehr faszinierende Geschichten, eine sehr gute Lesung - ein Tipp nicht nur für Fans.