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In letzter Zeit gab es Unmengen an Büchern, die die verschiedensten Bildungskanons vorschlugen. Der Bildungsnavigator will dies gerade eben nicht - er ist als vergnügliches Buch intendiert, in dem allerlei drin steht, was man als "gebildeter" Mensch wissen sollte oder könnte. Je nachdem ob es einen jetzt interessiert oder nicht. Es ist, wie der Untertitel sagt, ein Buch für "unordentliche Leser".
Im Mittelpunkt des Buches steht die "Piazza Europa", eine imaginäre Stadt, die sozusagen die Geschichte Europas darstellt. Das Buch selbst ist dann so etwas wie ein Stadtführer, an dem man sich aber nicht gewissenhaft halten muss. Denn wenn an einer Kreuzung eine andere Richtung für den Leser interessanter ist, kann er sich von starren Gruppe lösen und munter selbst die Piazza Europa erkunden. Dies wird ihm durch zahlreiche Verweise auf andere, ähnliche Themen erleichtert.
Die Einführung in die Handhabung des Buches, pardon, des Stadtführers erhält man natürlich am Stadttor. Danach geht es direkt weiter in die antike Stadt: Hier trifft man auf die griechischen Götter und deren Kulte ("Götterstraße"), auf die Trojaner ("Trojaner-Platz"), man folgt den Spuren Alexanders des Großen auf dem Alexanderweg und die Weltwunder darf man sich dann im Museum ansehen. Das sind nur einige der Themen, die hier abgehandelt werden, aber man sieht: Es geht kreuz und quer durch Wirklichkeit und Mythen, durch Geschichte und Politik.
Es folgt das italienische Stadtviertel mit der Römer- und der Kaiserstraße, der Dante-Gasse, dem Petrarca-Platz und dem Botticelli-Haus. Venedig findet man in der Pinakothek, Leonardo im gleichnamigen Saal. Und ebenso querbeet geht es weiter im mittelalterlichen Stadtviertel, das von Karl dem Großen berichtet, von der Gotik, Rittern, der Inquisition und Hexenverbrennung und von der Reformation.
Man betritt sogar die Universität der Piazza Europa, besucht dort den Philosophen-Park, hört im Auditorium Maximum über Kathedralen, begegnet im Laboratorium den Mystikern und Alchemisten, entdeckt in der Sternwarte die Unendlichkeit des Alls und noch vieles mehr.
Im Stadtzentrum besucht man die Christuskirche, den Malerwinkel, das Rembrandt-Haus, die Druckerei, aber auch den Friedenssaal und lernt dort mehr über den Dreißigjährigen Krieg. Die Insel in der Stadt hält Informationen über die Oper und das Ende der kaiserlichen und königlichen Monarchie bereit.
Dann gibt es noch das französische sowie das englische Stadtviertel, aber hier wird nicht mehr gesagt - es geht hopplahopp durch alle Zeiten, alle Themengebiete und der geneigte Leser wird sich vorstellen können, was da wohl alles kommen mag. In den Außenbezirken der Stadt trifft man auf die Gegenreformation, auf Don Quijote und seinen Sancho Pansa, auf Fabriken und die Oktoberrevolution. Im romantischen Wald gibt man sich dann Visionen der Natur hin, trifft auf Orpheus und Eurydike, Amor und Psyche und sieht dann noch die Wunschbilder der Weiblichkeit.
In der Bibliothek endet die Stadtführung und mit genau einhundert Literaturvorschlägen klingt das Abenteuer aus.
Die Beiträge sind unterhaltsam geschrieben, zuweilen auch sehr ernst, wenn die betreffenden Themen es nötig machen. Unterstützt werden sie durch Zitate und Textauszüge aus wichtigen Werken: Man findet Platon, Goethe, Blaise Pascal, Dante, Seneca und und und. Es gibt Auszüge aus literarischen und aus Sachwerken, Chroniken und ernsten Aufsätzen. Daneben viele Abbildungen: Gemälde, Skulpturen und was man sich alles vorstellen kann. Tabellen gibt es auch, eine oder zwei, aber in den allermeisten Fällen wird die gesamte Information in einen schönen Text verpackt.
Zuerst mag die Art der Präsentation stören: Man solle im Buch herumhüpfen? Mal hier, mal da lesen? Wie es einem gerade beliebt? Doch bereits nach wenigen Seiten wird man in das Buch hineingezogen, denn gerade diese Querverbindungen bringen dem Leser die Geschichte nahe. Man analysiert, zieht Lehren, doch alles ohne den trockenen Geschmack im Mund, den der Geschichtsunterricht leider allzu oft hinterlässt. Am Ende hat man das Buch bestimmt komplett gelesen, jede einzelne Seite - aber halt nicht von vorne bis hinten, sondern von Seite 1 bis 49, dann weiter auf Seite 92, zurück zu 50 und so weiter.
Wer einigermaßen im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, der wird hier nicht viel Neues lernen. Doch allein aufgrund der Verweise und der vielen zusätzlichen Informationen, aufgrund der Vielfalt der Themen, die behandelt werden und die längst nicht alle unter Geschichte einzuordnen sind, lohnt sich der Kauf eines Buches.
Aufgrund der Art, wie es geschrieben ist, eignet es sich auch für Kinder und Jugendliche, denn hier wird Wissen fast spielerisch vermittelt, und die Art der Präsentation macht Lust auf mehr.
Auch die Literaturliste unterliegt der gleichen Beschränkung wie das Buch: Man darf lesen, was man will, und worauf man keine Lust hat, das liest man einfach nicht. Doch Byron raubt die Angst vor der "schweren" Literatur, sodass man sich auch an Werke traut, die einem zuvor zu schwierig erschienen.
Eigens für die deutsche Ausgabe hat Byron noch ein deutsches Kapitel hinzugefügt. Da kann man dann nur noch sagen: Bravo! Und: kaufen!