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Fettes war in jungen Jahren ein ehrgeiziger Medizinstudent, doch das ist lange her. Verbittert und verschlossen findet er sich Abend für Abend in einer Kneipe ein und sucht das Vergessen in Strömen von Rum, die ihn vorzeitig altern lassen. Doch eines Abends erblickt Fettes in dem Gasthaus einen alten unliebsamen Bekannten: den Arzt Dr. Macfarlane. Fettes wird an seine eigene unrühmliche Vergangenheit erinnert, die ihn seither mit schrecklichen Albträumen plagt - und von der er nun seinen Trinkkumpanen berichtet:
England im 19. Jahrhundert. Wissenschaft und Medizin boomen, und Ärzte und Professoren versuchen, ihre anatomischen Kenntnisse vom menschlichen Körper zu verbessern, indem sie Leichen sezieren. Doch nur die toten Körper von zum Tode verurteilten Schwerverbrechern dürfen laut Gesetz den Weg auf den Seziertisch finden, und das sind viel zu wenige. Der junge Student Fettes findet eine Anstellung als Gehilfe von Professor Knox. Zu seinen Aufgaben gehört es fortan, über dem Seziersaal zu wohnen und des Nachts angelieferte Leichen anzunehmen, die auf allerlei dubiosen Wegen und von zwielichtigen Personen herangeschafft werden. Fettes ahnt zwar, dass die Sache nicht mit rechten Dingen zugeht, doch er schweigt, verschafft ihm seine neue Anstellung doch Geld und ausgezeichnete Karrierechancen. Schon sieht er sich in der Position von Dr. Macfarlane, der auch für Professor Knox arbeitet. Dann, eines Nachts, erkennt Fettes voller Grauen in einer der Leichen die junge Jane Galbraith, mit der er ein Verhältnis hatte. Morden die Leichenräuber skrupellos, nur um neue Leichen für Sektionen zu bekommen? Doch inzwischen steckt Fettes schon viel zu tief drin und das Geschehen nimmt seinen Lauf ...
Robert Louis Stevenson, weltberühmt vor allem durch seine Abenteuergeschichte "Die Schatzinsel", hat mit "Der Leichendieb" eine Geschichte geschrieben, die eine wahre Grundlage hat. In früheren Jahrhunderten beschafften sich Anatomen tatsächlich illegal Leichen von Friedhöfen, um sie für wissenschaftliche Sektionen zu verwenden. Die Kurzgeschichte entstand im Jahr 1884 und zählt heute zu den bekannteren Werken von Stevenson. Titania Medien hat sich des klassischen Stoffes angenommen und für die erfolgreiche Gruselkabinett-Reihe ein Hörspiel produziert, das - wie eigentlich immer in dieser Reihe! - durch seine dichte Atmosphäre und den wunderbar altmodischen Touch voll und ganz überzeugen kann.
Gemessen an den heutigen Horror- und Gruselgeschichten ist Stevensons Geschichte nicht besonders gruselig, ja regelrecht harmlos, aber dennoch sorgt dieses Hörspiel für den ein oder anderen wohligen Schauer. Das liegt an der tollen Atmosphäre, die durch unheimliche Musik und eine dezente Geräuschkulisse unterstützt wird. Man glaubt wirklich, den kalten Regen prasseln zu spüren, wenn Fettes an der Seitentür des Anatomiesaals die illegale Ware in Empfang nimmt, und man empfindet seinen Gewissenskonflikt lebhaft mit.
Titania Medien hat sich wie immer auf versierte Sprecher verlassen; einige Namen kennt man als treuer Hörer des Gruselkabinetts bereits, zum Beispiel Torsten Michaelis - der hier Dr. Macfarlane verkörpert - oder Andreas Mannkopff als fieser Leichendieb Skinner. Ebenfalls voll überzeugend sind in ihren Rollen Michael Pan, der den armen Fettes spricht, Hans-Werner Bussinger als eiskalter Professor Knox, Melanie Hinze als verführerische Jane Galbraith und - besonders hervorzuheben - Wilfried Herbst als Gray. Letzterer brilliert vor allem mit seinem irgendwie irren und nervtötenden Gelächter.
Fazit: Fans klassischer Gruselgeschichten kommen an Stevensons "Der Leichendieb" nicht vorbei. Die Hörspielumsetzung in der Gruselkabinett-Reihe ist schaurig-schön, atmosphärisch dicht und durch die vollen 68 Minuten hindurch sehr unterhaltsam!