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Witziges, spannendes, professionelles Erzählen
Anders kann man Tom Wolfes Schaffen seit 1980 nicht nennen. Ich bin kein Fan seiner frühen Reportagen, aber FEGEFEUER DER EITELKEITEN und EIN GANZER KERL waren großartige Romane, wie man sie in unserem Sprachraum gar nicht findet. Sie sind angenehm zu lesen, unterhalten auf jeder Seite und schaffen es, einen großen Spannungsbogen aufzubauen. Genauso ist es mit dem neuen Romen ICH BIN CHARLOTTE SIMMONS, der gerade bei Blessing erschien und beinahe von allen großen Zeitungen verrissen wurde. Natürlich ist es eine Anmaßung, wenn ein fast 80jähriger Autor von einer 17jährigen Hochbegabten erzählt, die in einer der amerikanischen Ivy-League-Schools erlebt, dass Begabung prinzipiell einmal als uncool empfunden wird. Eine Anmaßung vor allem deshalb, weil Wolfe in der überzeugenderen englischsprachigen Version zwar den Slang, den man derzeit auch auf MTV kennen lernen kann, voll drauf hat, aber natürlich nicht selbst in der Gestalt einer jungen Frau beim Sex gesteckt haben kann (zumindest nicht im hier gemeinten Sinn). Es ist anmaßend, entfernte Erzählperspektiven zu benutzen. Aber wollen wir im Gegenschlag tatsächlich nur mehr halbbiographisches Zeugs aus der Sicht von Menschen lesen, deren Kosmos um Schreiben und Nichtstun kreist? In der Rezension einer großen Tageszeitung hieß es gerade höhnisch, Wolfe predige, sei geschwätzig und seine Handlung vorhersehbar. All das stimmt eben nicht. Wie die Geschichte mit Charlotte und den drei Männern, die auf der Uni um sie zirkulieren - der obercoole Hoyt, der Basketball-Superstar Jojo und der Streber Adam - ausgeht, weiß man erst, wenn die Geschichte zu Ende ist, und Charlotte triumphiert. Es geht um wahre Qualität, um wirkliche Werte, und das trägt Wolfe nur vor, indem er darüber erzählt. Was ist denn wirklich wichtiger: Gut auszusehen, gut Ball zu spielen oder sich überall gut auszukennen? Eines der besten Bücher, das ich seit Langem gelesen habe. Es ist ein Buch zum Lachen, zum Weinen, zum Mitfühlen - das man kaum weglegen kann. Und zwischendurch sagt man sich als Leser immer: Ja, so wird das gemacht, der kann das! So was lohnt sich zu lesen! Endlich mal richtiges literarisches Futter zwischen den Zähnen!