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 Die Raummaschine

Raum und Perspektiven im Computerspiel


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Bildqualität


Die Architektur in Computerspielen ist eine seltsame; da gibt es merkwürdige Ebenen mit laufenden Pilzen, frei schwebenden Plattformen, von unsichtbaren Kräften bewegten Aufzügen und gewundenen Röhren (Super Mario Land), Tempelruinen mit begehbaren Zahnrädern, exakt positionierten Blöcken und Seilzügen (Tomb Raider) oder ganze Straßenzüge mit identischen Häusern, Asphaltplatten und Fenstern (diverse Egoshooter). Versierte Spieler finden sich in diesen teils ausgedehnten Landschaften besser zurecht als in der Wirklichkeit; sie werden vom Programmierer geschickt auf bestimmte Pfade gelenkt, andere Teile der sichtbaren Architektur sind aber nicht programmiert und deshalb nicht zugänglich (oder wenn, dann nur durch einen "Bug" - was zu seltsamen Resultaten führen kann). Teleporter überbrücken längere und mittlere Distanzen, Luftschächte dienen als Geheimgänge, und hinter jeder Wand eines Rollenspieldungeons kann sich eine Geheimtür verbergen ... denn die Mauern sind im Code durchlässig, das Ändern einer Variabel kann einen Raum vervielfachen oder ihn verschwinden lassen.

Stephan Schwingeler hat sich des sehr speziellen Themas des Raumbilds im Computerspiel angenommen. Für Schwingeler steht fest, dass der Computer als eine Art "Raummaschine" unsere Vorstellung von Raum, Architektur, Perspektive und Geographie grundlegend verändert. In seiner lesenswerten Untersuchung zeigt er, wie Computerspiele den "Raum" eroberten - vom Textadventure über ASCII-generierte Welten bis hin zum dreidimensionalen Egoshooter. Mit der Nintendo Wii dringt der Raum des Computerspiels gar in den unseren, realen vor - wer bei "Wii Sports" mit dem Controller die Bowlingkugel schwingt, ist zugleich in seinem (realen) Wohnzimmer als auch in der (computergenerierten) Bowlingbahn. Schwingeler stützt sich dabei auf die Thesen des Kunstwissenschaftlers Erwin Panofsky (1892-1968), der die "Wirklichkeit" von Perspektive und Raumwahrnehmung in Frage stellte und sie einem geometrisch-mathematischen Prinzip unterordnete. Anhand diverser Techniken wie dem Scrolling oder der First- oder Third-Person-Perspektive zeigt Schwingeler, wie es einem Computerspieler gelingt, virtuelle "Räume" zu erschließen und in sein herkömmliches Raumbild zu integrieren.

Schön, dass die Game Studies, also die kulturwissenschaftliche Erforschung von Videospielen, endlich auch hierzulande Fuß gefasst habe; noch schöner, dass nach einer ersten Welle von Einführungswerken nun auch Spezialuntersuchungen eine Chance auf dem Markt bekommen. Schwingelers Werk ist hierfür ein Beispiel, und ein besonders gelungenes obendrein - ein Highlight der Game-Studies-Reihe im Werner-Hülsbusch-Verlag und für Medienwissenschaftler, Architekten und begeisterte Spieler gleichermaßen geeignet.

Hagen Hoffmann



Hardcover | Erschienen: 01. Mai 2008 | ISBN: 9783940317247 | Preis: 28,90 Euro | 172 Seiten | Sprache: Deutsch

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