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Die Situation in China wurde gerade geklärt, Temeraire und Laurence sind zum Aufbruch per Schiff bereit - da erreicht sie über den mysteriösen Boten Tharkay ein direkter Befehl aus England: Temeraire und seine Crew sollen sofort in die Türkei reisen, um dort zwei wertvolle Dracheneier, die kurz vor dem Schlüpfen stehen, zu holen und nach Großbritannien zu bringen. William Laurence wählt den Landweg über den asiatischen Kontinent unter der Führung Tharkays - ein harter Trip steht bevor.
Einmal in der Türkei angekommen, werden die Briten wenig herzlich empfangen, sogar regelrecht abgewimmelt - was könnten die Türken vorhaben? Die Zeit drängt. Nicht nur droht eins der Dracheneier binnen der nächsten Wochen zu schlüpfen, offensichtlich bereitet der selbsternannte Imperator Napoleon auch noch eine groß angelegte Offensive vor ...
So abrupt wie Naomi Noviks Bücher aufhören, so abrupt fangen sie auch an. "Drachenzorn" knüpft unmittelbar an die Ereignisse des direkten Vorgängers "Drachenprinz" an, zwischen den beiden Geschichten liegt gerade mal eine Woche. So langsam - das kann man auch am Ende von Teil Drei erkennen - wird das Konzept von Noviks Serie offenbar: eine Serie dicht aufeinander folgender, in sich abgeschlossener Geschichten, die als großen Bogen das Leben Temeraires und Laurence beziehungsweise die napoleonischen Kriege beschreiben. Es ist zwar ein interessantes Prinzip, welches Novik da dem Autor Patrick OBrian, hierzulande am ehesten bekannt für die Vorlagen zum Spielfilm "Master and Commander", entlehnt, jedoch irgendwo auch ein befremdliches, schließlich steht man nach dem wieder rapide abgebrochenen Ende mitten im Geschehen und ohne eine Fortsetzung da.
Aber dies ist bereits das Ende, wo man vielleicht mit dem Anfang beginnen sollte. Der erste Akt von "Drachenzorn" beschreibt die Rückreise aus China nach Europa - diesmal jedoch nicht zu Wasser, sondern über Land, was selbstverständlich für ein völlig anderes Reisegefühl sorgt, nicht zuletzt deswegen, weil die Figurenkonstellation eine andere ist und keine ungeliebten chinesischen Thronerben kennt. Einerseits versteht es Novik wieder, sämtliche Umgebungen lebhaft und bilderreich zu umschreiben, aber ohne unheilvolle Ereignisse am Horizont wie im Vorgänger wünscht man sich schon, dass diese Reise vielleicht ein bisschen schneller vonstatten gehen möge. Dafür wird die Welt wieder um einige Elemente erweitert, diesmal hauptsächlich um die wilden Drachen, was vor allem deswegen interessant ist, weil Novik damit ihr Konzept der Drachen als dem Menschen ebenbürtige, aber nicht gleichberechtigte Spezies weiter ausbaut. Dies stachelt auch die revolutionären Gedanken Temeraires immer weiter an, die nach den Erlebnissen in China auch langsam aber sicher auf Laurence abzufärben beginnen. Der Anhang des Buchs, ein pseudowissenschaftliches Essay über Drachen als intelligente Rasse, liefert jedenfalls bereits reichlich Zündstoff für Konflikte in den kommenden Teilen der Serie, auf die man sehr gespannt sein darf.
Im dritten Akt des Buchs wird dann das erste Mal in der Serie richtige Kriegsatmosphäre heraufbeschworen, als Napoleon einen massiven Feldzug beginnt, in den Temeraire und seine Crew direkt verwickelt werden, nicht zuletzt, weil sie sich mit der Drachin Lien im letzten Band eine mächtige Feindin geschaffen haben. Freunde von Kriegsstrategie und -taktik werden mit diesem letzten Teil des Buchs sicherlich eine Menge Freude haben, denn es macht den Eindruck, als hätte Novik wieder umfangreich für ihre Geschichte recherchiert.
Dennoch muss man sagen, dass "Drachenzorn" der bisher schwächste Teil der Serie ist. Besonders in den ersten zwei Dritteln geht die Geschichte eher schleppend voran, die verschiedenen Episoden wollen keinen konsistenten Spannungsbogen vorweisen. Das Gefühl der Begeisterung will sich nicht so recht einstellen, denn langsam kommt auch ein bisschen Routine in die Serie hinein. Der Qualitätsverlust gegenüber den anderen beiden Teilen ist nur schwach, aber dennoch spürbar. Aber wenn die Serie, was abzusehen ist, noch viele weitere Teile haben wird, dann ist das wohl nicht zu vermeiden.