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Im Jahre 1453 ist Hamburg noch ein kleiner Stadtstaat, nur eine von vielen Dutzend Provinzen, die in Europa mehr oder weniger friedlich nebeneinander koexistieren. Im 18. Jahrhundert hat sich Hamburg dann plötzlich durch Krieg, Diplomatie und Handel zu einer Weltmacht aufgeschwungen, sich den Großteil Europas einverleibt und seine Fühler bereits weit nach Asien, Afrika und Amerika ausgestreckt. Ein undenkbares Szenario? Nicht in "Europa Universalis 3", dem gigantischen Global-Strategiespiel von Paradox Interactive.
Das Spiel beginnt nach dem Fall des byzantinischen Reichs und endet mit der französischen Revolution, umfasst also mehr als dreihundert Jahre der jüngeren Geschichte. Als Spieler übernimmt man eins der rund zweihundert Länder der Welt, das man zu Beginn völlig frei aussuchen kann. So ist es möglich, mit einer bereits sehr mächtigen Nation wie Frankreich oder Spanien anzufangen und kleinere Länder mit der eigenen Militärmacht einfach zu überrollen. Oder man stellt sich der Herausforderung und übernimmt ein Land, das aus nur einer Provinz besteht, und versucht sich so, durch die Jahrhunderte zu schlagen.
[imgleft]images/UploadGrafiken/EU33.jpg[/imgleft] Provinzen sind der Grundbaustein für alles in "Europa Universalis 3", denn sie werfen durch Produktion und Steuern Geld ab, das man braucht, um sich neue Armeen und Gebäude zu kaufen und in die Forschung zu investieren. Das kratzt freilich nicht mal mehr an der Oberfläche, denn EU3 hat eine Tiefe, die einem zu Beginn wie ein bodenloses Loch erscheint. Das Spiel besteht aus einer riesigen Zahl Variablen, die alle irgendwie miteinander verknüpft sind. Da gibt es beispielsweise den Grundfaktor der Stabilität, der beeinflusst, wie zufrieden die Bewohner des eigenen Landes sind, was sich auf die Steuereinnahmen auswirkt, aber zum Beispiel auch darauf, wie viele Händler man in einem Jahr zur Verfügung gestellt bekommt. Diese gehören zu den fünf wichtigen Personengruppen, mit denen man im Spiel viele Aktionen steuert. Besagte Händler schickt man etwa in den Konkurrenzkampf gegen andere Nationen, um einen Zusatzverdienst zu erlangen. Kolonisten braucht man, um Militärführer zu rekrutieren und die Neue Welt zu besiedeln. Diplomaten schickt man in andere Reiche, um den Krieg zu erklären, Geschenke zu machen, Bündnisse zu schließen und so weiter. Mit Missionaren kann man die eigene Religion verbreiten und mit Spionen ungeliebten Konkurrenten auf heimtückische Weise schädigen.
Das alles sei nur kurz aufgezählt, um die wirklich enorme Tiefe dieses Spiels zumindest anzudeuten. Hinter dem Kolonisieren, der Diplomatie, der Religion und dem ganzen Staatsmanagement steckt noch so viel mehr, dass man in einer Rezension kaum drauf eingehen kann. Staatsehen, Handelsembargos, Belagerungen, Forschung, religiöse Reformationen, Wechsel der Regierungsform, Eintritt in das Heilige Römische Reich, Beeinflussung des Vatikans - all das ist in "Europa Universalis 3" möglich. Der Preis dafür liegt in einer enorm hohen Einstiegsschwelle in Form von 147 Seiten Handbuch, die man vor der ersten richtigen Partie möglichst durcharbeiten sollte, um ein grundlegendes Verständnis für all die wichtigen Variablen und Möglichkeiten zu bekommen, die in diesem Spiel miteinander verknüpft sind. Die mitgelieferten Tutorials beschreiben lediglich die wichtigsten Menüs und führen ein bisschen in die Kriegsführung des Spiels ein, die - vom Rekrutieren, Organisieren und Verschieben der Regimenter abgesehen - eh vollautomatisch abläuft.
[imgright]images/UploadGrafiken/EU32.jpg[/imgright] "Europa Universalis" wird gerne mit der populären "Total War"-Serie verglichen, in Wahrheit ähnelt das Spiel aber viel eher dem Klassiker "Civilization". Zwar läuft es in - jederzeit pausierbarer - Echtzeit ab und nicht rundenbasiert, doch das Augenmerk auf Globalstrategie mit einem großen Mix aus Handel, Diplomatie, Forschung und Militär im direkten Wettkampf gegen andere Nationen liegt näher an Sid Meiers Klassiker als an der großen Schlachtensimulation. Der Unterschied zu "Civilization" besteht größtenteils darin, dass das Spiel nicht die komplette Menschheitsgeschichte abdecken will, sondern einen ganz bestimmten Ausschnitt, diesen jedoch mit der maximal möglichen Detailfülle. Für Historiker dürfte die Genauigkeit von EU3 gegenüber geschichtlichen Daten deswegen ein besonderes Fest sein. Man kann nicht nur 1453, sondern zu irgendeinem Zeitpunkt bis 1789 in das Spiel einsteigen und eine Repräsentation der tatsächlichen geschichtlichen Lage vorfinden, die man dann nach Belieben beeinflussen kann.
In dieser Exaktheit steckt allerdings auch der größte Kritikpunkt, den man dem Spiel vorwerfen muss. "Europa Universalis 3" ist unglaublich langsam. Die Spielzeit wird in Tagen gemessen, von denen einer im Spiel mehrere Sekunden dauert. Jede Aktion nimmt durchaus so viel Zeit in Anspruch, wie sie in Wirklichkeit gebraucht hätte. Wenn man also Kolonisten nach Amerika sendet, braucht das beispielsweise durchaus ein halbes Jahr Spielzeit. Diese kann man zwar in mehreren Stufen beschleunigen, allerdings besteht dabei immer das Risiko, wichtige Ereignisse zwischendurch zu verpassen. Das hält einen zwar regelmäßig auf Trab, aber die Auswirkungen einer Aktion können sich dadurch ewig hinziehen, was vor allem in Kriegszeiten extrem vorausschauendes Planen erforderlich macht. Am problematischsten ist jedoch die Motivation, die einem "Europa Universalis 3" dadurch vorenthält. Mit wirklichen Belohnungen wird ziemlich gegeizt, die wirklichen Früchte der eigenen Arbeit erntet man manchmal nur nach vielen Stunden Spielzeit. Die Lust, das Programm erneut zu starten und fortzufahren, ist eher gering.
[imgleft]images/UploadGrafiken/EU31.jpg[/imgleft] Unverzeihlich ist außerdem die fehlende Zielvorgabe des Spiels. Im Handbuch wird man darauf hingewiesen, dass man sich ja selbst Ziele setzen könne - was für eine schwache und unglaublich faule Ausrede! Zwar gibt es im Spiel ein Rangsystem zwischen den Nationen, dieses ist jedoch völlig undurchsichtig und spielt am Ende des 18. Jahrhunderts gar keine Rolle mehr. Dann werden lediglich nochmal die Ereignisse der eigenen Nation zusammengefasst und fertig - bis dahin hat man jedoch Dutzende Stunden in eine Partie investieren müssen. Dabei wäre es doch so einfach gewesen, ein Punktesystem über die verschiedenen Bereiche wie Handel und Militär zu erstellen oder festgelegte Szenarien, in denen man berühmte Feldzüge nachspielen kann. Die muss man sich aber selbst raussuchen und selbst entscheiden, ob man denn nun erfolgreich war oder eben nicht.
Der andere große Schwachpunkt von "Europa Universalis 3" ist die Präsentation. Die Grafik ist sehr lieblos und klobig, die einzigen animierten Elemente sind die Soldaten, die potthässlich und gelangweilt aufeinander eindreschen. Meistens wird man das Spiel eh über die Politikkarte betrachten, die das Gelände ausblendet und die Zugehörigkeiten der Provinzen zu einzelnen Nationen anzeigt. Dann wirkt "Europa Universalis 3" vollends wie ein überdimensioniertes Brettspiel auf dem PC - und wenig überraschend basiert die Serie auch tatsächlich auf einem gleichnamigen Strategiespiel, das selbst unter Freaks lediglich für seine Unzugänglichkeit bekannt ist.
Doch vor allem Liebhaber komplexer Brettspiele dürften bei "Europa Universalis 3" den leichtesten Einstieg und die meiste Freude haben. Lange Anleitungen schrecken dort nicht und die Spieltiefe sucht auf dem Markt komplexer Strategie Ihresgleichen. Vor allem der Wiederspielwert des Programms ist enorm, entwickelt sich eine Partie doch völlig anders, wenn man mit Spanien startet, als etwa mit Hamburg. Der Grad an Realismus ist für Hardcore-Strategen, neben den unzähligen Möglichkeiten, die das Programm bietet, ein eindeutiger Kaufgrund. So reicht simples militärisches Erobern von Provinzen keineswegs aus, um das eigene Reich zu erweitern, sondern will durch geschicktes diplomatisches Agieren abgesichert sein. Da dauert das Bauen eines Gebäudes oder Schiffs nun mal ein Jahr und da wird eine Armee nicht deswegen besiegt, weil der letzte Mann getötet wurde, sondern weil die Moral im Keller ist. "Europa Universalis 3" sollte man sich nur dann holen, wenn man bereit ist, sich wirklich in ein Spiel einzuarbeiten, bevor man damit Spaß haben kann. In diesem Genre dürfte es dann jedoch kaum etwas Besseres geben.