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Durch Kontakte hat die Autorin, Soziologin und Dozentin für Asien-Studien in England, die Möglichkeit, nach Lahore in Pakistan zu reisen, wo sie eine wissenschaftliche Arbeit verfassen will.
Stattdessen zieht es sie nicht nur nach Heera Mandi, dem Rotlichtviertel, sondern sie macht auch die Bekanntschaft einer der dortigen Frauen und freundet sich mit ihr an: Maha.
Von April 2000 bis zum Januar 2004 lebt die Autorin inmitten dieser Umstände, führt Gespräche, lernt die Sprache Urdu und versucht zu erfassen, welche Entwicklung in diesem Viertel verlief, wie es dazu kam und was sie für die Frauen dort bedeutet.
Einst war Heera Mandi ein Bordellviertel, dem die Romantik der Kurtisanen und schöner Tänzerinnen anhaftete und in dem die Frauen geachtet wurden. Heute hingegen sind alte Traditionen eher vergessen und die neuen sehr kurzlebig, und aus den einstmals geachteten Frauen wurden
gandi Kanjri, dreckige Huren.
Das in acht Kapitel aufgeteilte Buch, das nach Zeitabschnitten, aber auch nach den einschneidenden Ereignissen der jeweiligen Zeit gegliedert ist, liest sich fast wie ein Roman. Es fehlen die distanzierten Beschreibungen eines Sachbuches, zudem enthält das Buch viele Gespräche zwischen den auftretenden Menschen.
Fiktion hingegen ist es wiederum auch nicht, denn obwohl alle Namen geändert wurden, handelt es sich um authentische Menschen - um eine Art mehrere Menschen umfassende Biographie, so könnte man sagen.
Der Klappentext und der des Rückumschlages sind etwas reißerisch verfasst, was ich persönlich bedaure, denn dies verläuft meiner Ansicht nach widersprüchlich zum Stil des Buches.
Tatsächlich hat die Autorin einen sehr angenehmen Ton des Erzählens getroffen. Sie berichtet von dem Schicksal der Personen, denen sie begegnet, allen voran Maha, aber auch von dem Leben der Personen um sie herum, ihren eigenen Eindrücken und auch von den Umständen des Landes und der Stadt, von typischen Verhaltensmustern, Gerüchen und Gebäuden.
Sie erkennt die Aussichtslosigkeit der Frauen in Heera Mandi, vor allem derer, die bereits Kinder haben, sie sieht ihre eigene Arbeit, die letztlich eben davon profitiert, diese Aussichtslosigkeit in Worte zu fassen und das Leben der Kinder dort verglichen mit ihren eigenen, die sicher bei ihren Eltern in England behütet werden, durchaus kritisch.
Auch erkennt die Autorin, wie falsch viele Dinge in Heera Mandi laufen und welches Elend sich ausbreitet, aber sie erkennt ebenso, dass ihre Aufgabe die der Dokumentation ist, nicht die der Weltverbesserin. Ich denke, nur durch diese Erkenntnis konnte dieses Buch auch so geschrieben werden, denn mit einer anderen Einstellung wäre Louise Brown den Menschen, die sie in ihrem Buch beschreibt, wohl kaum so nahe gekommen.
Ohne erhobenen Zeigefinger und falsche Moral berichtet die Soziologin von den Umständen, die einem geordneten Mittelklasseleben des Westens nicht ferner sein könnten. Doch gerade dadurch, dass sie informiert, ohne zu verschrecken, dass sie die Gegebenheiten annimmt, ohne sie zu verteufeln, ermöglicht sie auch ihren Lesern, sich auf diese andersartige Welt einzulassen, sie mit deren Augen zu sehen und trotzdem zu erkennen, welcher Hoffnungslosigkeit die Frauen von Heera Mandi sich gegenüber sehen.
Ein sensibel verfasstes Buch mit den Blicken auf die richtigen Aspekte, grundehrlich und ohne (falsche) Moral.
Für Interessenten eine wirklich lohnenswerte, informative und auf sehr eigene Weise ergreifende Lesekost in schöner, aber etwas kostspieliger Verpackung.