Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Humor | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Deepgate ist ein düsterer Moloch, eine Stadt, die seit Jahrhunderten an eisernen Ketten über einem Abgrund hängt. Dieser Abgrund ist die Heimat des Gottes Ulcis, dem die Seelen der Einwohner übergeben werden. Für die Übergabe der Seelen ist der Archon Dill zuständig, der letzte aus dem einst mächtigen Geschlecht der Erzengel. Zur Seite steht ihm die Assassinin Rachel, die ihn im Kampf ausbilden soll. Sie sind ein ungleiches Paar, denn während Dill vollkommen naiv und unschuldig ist, hat Rachel trotz ihrer Jugend schon zahlreiche Menschen ermordet. Dennoch entwickelt sich zwischen ihnen eine zarte Freundschaft.
"Scar Night", was übersetzt Neumond heißt, bezeichnet die Nacht, in der der Engel Carnival die Stadt durchstreift, um einen Menschen auszubluten und mit dem Blut seine Seele in sich aufzunehmen. Carnival wird von der Kirche, die mit ihren Assassinen Jagd auf sie macht, als Bestie dargestellt, ihr Körper ist entstellt von zahllosen Narben und sie hat stets eine Mistgabel bei sich, die sie als Waffe nutzt. Doch ist sie wirklich die grausame Mörderin, für die man sie hält? Was treibt sie an? Und was lauert tatsächlich unter Deepgate?
Schon auf den ersten Seiten dieses Romans wird klar, dass es sich hier nicht um eine gewöhnliche Fantasywelt handelt, sondern dass das Setting recht exotisch ist - und düster. Tatsächlich schafft Alan Campbell eine bedrückend dunkle Atmosphäre, die von der ersten bis zur letzten Seite aufrecht erhalten wird. Licht, Schönheit, Unschuld - diese Dinge fehlen fast gänzlich in Deepgate und werden, wenn überhaupt, nur durch den Archon Dill dargestellt, der abgeschnitten von der Außenwelt in seinem "Elfenbeinturm" aufgewachsen ist.
Das Problem hierbei ist, dass man sich die Kettenwelt anfangs schwer vorstellen kann und zudem noch von allzu vielen Informationen, die einem schon in den ersten Kapiteln geliefert werden, regelrecht erschlagen wird. Und dank der aus dem Englischen übernommenen Ortsnamen liest sich die Übersetzung auch ein wenig holprig, wobei das Werk sprachlich ohnehin nicht wirklich überzeugt, da viele Formulierungen völlig daneben gehen, sei es wegen Wortwiederholungen, einem unpassenden Pathos oder nichtssagenden Beschreibungen. Einen bedrohlichen Moloch, eine seltsame Stadt - das haben andere Autoren wie China Miéville oder Jeff Vandermeer schon besser beziehungsweise anschaulicher zu Papier gebracht. Dennoch, hat man die ersten hundert Seiten hinter sich gebracht, taucht man in die Welt von "Scar Night" ein und kann die Geschichte genießen.
Die Betonung liegt auf
kann. Denn es ist keine seichte, kurzweilige Geschichte. Sie ist blutig und unerbittlich. Sie ist spannend und bisweilen furchterregend und mit jeder Seite nimmt sie mehr Fahrt auf.
Oftmals blitzt auch ein wenig Tiefgründigkeit auf, ein bisschen Gesellschaftskritik, beispielsweise wenn Campbell die Kriegsführung Deepgates gegen Feinde beschreibt und damit auf überspitzte Weise die Konsequenzen chemischer oder biologischer Waffen anprangert.
Der Plot scheint größtenteils sehr durchdacht sowie mit vielen guten, vor allem aber neuen Ideen durchwirkt und es gibt so einige überraschende Wendungen, die den Leser bei der Stange halten. Zum Ende hin wird ein zu großer Fokus auf Action und, man kann es nicht anders nennen,
Gemetzel gelegt, diese Seiten hätte man auch sinnvoller verwenden können und sie lassen den Leser mit einem flauen Gefühl im Magen zurück.
Manko, aber auch Stärke sind die Figuren. Diese sind größtenteils stark überzeichnet, was den Charakter betrifft, und wenig glaubhaft, was Entwicklung und Handlungen angeht - dennoch gibt es keine wirkliche Einteilung in Schwarz und Weiß, Gut und Böse, was sie schlichtweg interessant macht. Besonders Carnival übt einen immensen Reiz auf den Leser aus. Zuerst wird sie als Seelen raubendes Monster dargestellt, doch bald schon wird ihr Tiefe verliehen. Man erfährt etwas über ihre Beweggründe, ihr Leid, ihre Geschichte und das macht sie möglicherweise eher zur tragischen Figur denn zur Antagonistin.
Alles in allem findet der geneigte Leser, der statt Elfen und Zwergen auch Engel und Götter akzeptiert und sich an einem originellen Setting erfreut, ein gutes Buch. Die Actionlastigkeit und die blutigen Stellen muss man verschmerzen können, wenngleich zart besaitete Leser doch lieber eine andere Bettlektüre wählen sollten. Einige überzogene Plotelemente, sprachliche Ausrutscher und Schwächen in der Charakterdarstellung werden im zweiten Teil dieser Trilogie, der in den USA im April 2008 erschienen ist, hoffentlich ausgemerzt.