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Tagein, tagaus versieht der Wächter Gabriel seinen Dienst. Ihm obliegt es, einen der Zugänge zur Hölle zu überwachen. Der Engel erfüllt seine Pflicht mit stoischer Ruhe, weiß er doch, dass der kleinste Fehler die Pforten der Hölle öffnen und, wie damals, einen Krieg heraufbeschwören kann.
Doch wenige Augenblicke, in denen der Engel anderweitig beschäftigt ist, genügen dem Menschenjungen Julien, die verlassene Pariser Metrostation zu betreten und sich der unsichtbaren Linie zu nähern, hinter der die Dämonen der Hölle lauern. Verzweifelt versucht Gabriel den Jungen aufzuhalten. Doch er kann nicht verhindern, dass sie sich beide einige Schritte in das Territorium des Satans begeben. Kaum hat Gabriel Julien erreicht, stürmen Dämonen durch den Tunnel und fallen sie an. Mit letzter Kraft kann der Engel den Jungen aus der Gefahrenzone bringen. Doch die Dämonen haben ein Wesen in ihrer Gewalt, dass Gabriel nur zu gut kennt. Anya, gefallener Engel und Verdammte und ehemalige Geliebte des Engels. Doch er kann sie nicht aus den Fängen der Ungeheuer befreien. Verzweifelt muss er mit ansehen, wie sie Anya fort bringen.
Gabriel beschließt, erst Julien zu retten und dann Anya zu suchen. Doch die Höllenhunde sind ihnen bereits auf den Fersen. Gabriel flüchtet in den Himmel und versucht, Julien einem der obersten Engel anzuvertrauen. Doch der Junge hat unbegreiflicher Weise Todesangst vor dem Engel und folgt Gabriel in die Hölle.
Freunde epischer Comicserien kennen das Autorenduo Anne und Gérard Guéro, kurz Ange genannt. Nicht zuletzt dank der spannenden Fantasystory "Die Legende der Drachenritter" erlangten sie weltweit Beachtung.
Gemeinsam mit Zeichner Alberto Varanda versuchen sie sich nun in einem völlig anderen Genre. Ihr Comicserie "Das verlorene Paradies", startend mit dem Band "Hölle", spielt zwar auf der Erde, hat aber den Kampf zwischen Himmel und Hölle zum Thema. In dieser imaginären Welt der Überwesen und der Verdammnis herrschen grausame, unmenschliche und ewig währende Regeln. Die unnahbaren Engel, eisern in ihrem Glauben an ihre Einzigartigkeit und Unfehlbarkeit und die machtvollen Dämonen, die einzig dem Willen unterworfen sind, die Hölle zu verlassen und die Ordnung umzustürzen.
Dazwischen platzieren Anne und Gérard Guéro drei Gestalten, die scheinbar zum Spielball dieser Mächte werden. Einen Engel, der die Gesetze des Himmels in Frage stellt, einen gefallenen Engel, der das Gute in sich zu haben scheint und einen Menschen, der zum entscheidenden Zünglein an der Waage der Macht zu werden scheint.
Dies alles verpacken die Autoren in eine rasante, blutige, oft grausame, immer aber höchst unterhaltsame Geschichte. Sie verschweigen vieles, verraten wenig und lassen den Leser lange im Unklaren über die Zusammenhänge. Nur sehr zögerlich geben sie den Blick frei auf wahrhaft höllische Zustände. Und das abrupte, grausame Ende des Bandes lässt wiederum einen völlig frustrierten Leser zurück, der keine Antworten gefunden hat und diese im zweiten Band der vierteiligen Serie finden muss.
Dies alles kleidet Alberto Varanda in faszinierende Bilder. Auf der einen Seite die kalten Gefilde des Himmels. Weiß herrscht vor, die Formen streben himmelwärts, die Blicke werden fast erdrückt von den perspektivischen Höhen und der machtvollen Architektur. Ebenso wirken die Wesen des Himmels unnahbar, kalt, berechnend und grausam. Nicht blutdürstend grausam, sondern ob ihrer Gnadenlosigkeit gegenüber den Fehlern der Menschen und der Untergebenen.
Dem gegenüber stellt er auf der anderen Seite eine düstere, organisch gewachsene, von Rottönen beherrschte Welt der Hölle. Sie ist tief unten, fast erdrückt von der Gewalt der sie überragenden Welt, von den Höhen des Himmels und den tiefen der Abgründen dazwischen. Eine Welt der Verdammten, der Gnadenlosigkeit, Grausamkeit, des Blutes und der Qual. Dieser Gegensatz wird beeindruckend in Szene gesetzt. Jedes Detail ist abgestimmt auf diesen ewigen Konflikt, bezieht aber auch klare Stellung gegen den Himmel und für die Hölle. Hier wird nicht das Gute über das Böse gestellt, sondern das Gute, dass absoluten Gehorsam verlangt und keine Gnade bei seinem Urteil kennt, dem Bösen, das leidet und aus der Hoffnungslosigkeit entkommen will, gegenübergestellt.
Dieser Konflikt, etwas wirr und unzusammenhängend inszeniert, lebt von der einmalig schönen, schaurigen grafischen Umsetzung, kann aber im ersten Album noch nicht überzeugen. Dafür sind die Protagonisten zu schablonenhaft, zu eindimensional, zu selten abseits von Action und Kampf innehaltend. Doch ohne Frage wird jeder Leser, der "Hölle" gekauft hat und dem Autorenpaar Ange vertraut, den zweiten Band erwerben, um zu erfahren, wie es in "Fegefeuer" weitergeht.