Es ist inzwischen ein offenes Geheimnis, dass viele Formulierungen in Arbeitszeugnissen nur halb so positiv sind, wie man als unbedarfter Leser zuerst meint. Verklausulierte Formulierungen, versteckte Kritikpunkte, geradezu halsbrecherische Bewertungen, die einem beim nächsten Job nicht Tür und Tor öffnen, sondern das vorzeitige Aus im Bewerbungsverfahren bedeuten, gibt es wie Sand am Meer. Das Autorenduo Jürgen Hesse und Hans Christian Schrader, mittlerweile geradezu ein Synonym für kompetente Bewerbungsratgeber, wirft in "Arbeitszeugnisse - Professionell erstellen, interpretieren, verhandeln" einen eingehenden Blick auf Arbeitszeugnisse und ihre Formulierungen.

Als Einstieg gibt es erstmal drei fiktive Beispielzeugnisse, die ein und demselben Arbeitnehmer ausgestellt wurden. Nun soll der Leser rasch entscheiden: Welches dieser Zeugnisse ist ein zufrieden stellendes "gut", welches geht gerade noch so - und welches ist unmöglich? Die Unterschiede in den Formulierungen sind dabei viel kleiner, als man denkt. Dass "zu unserer vollsten Zufriedenheit" in der Regel die Wertung "Sehr gut" bedeutet, während ein "zu unserer vollen Zufriedenheit" ein "Gut" bedeutet, ist den meisten inzwischen geläufig. Aber es gibt viel subtilere Sätze, die dem Arbeitnehmer auf Jobsuche das Leben schwer machen können. Ob dieses Herumreiten auf jeder noch so unbedeutend erscheinenden Formulierung einem nun passt oder nicht, es handelt sich eben um den Arbeitsalltag. Und daher ist man im Vorteil, wenn man dieses Buch gelesen hat.

Die Stärke dieses Berufsratgebers liegt vor allem in seinem sehr hohen Praxisbezug und seiner klaren, nützlichen Gliederung. Nach der Klärung grundsätzlicher, sehr wichtiger Fragen wie etwa "Wer hat Anspruch auf ein Arbeitszeugnis?" oder "Was sind überhaupt die Kriterien für ein formal korrektes Zeugnis?" geht es um Zeugnisformen und Inhalte. Was soll alles drinstehen, was kann, und was darf im Arbeitszeugnis eben nicht enthalten sein? Denn keinesfalls darf der Arbeitgeber willkürlich formulieren, wie es ihm eben passt. Es gibt die Möglichkeit, ein Zeugnis mit ungerechtfertigten Bewertungen anzufechten.

Danach wendet sich der Ratgeber der oft diskutierten "Geheimsprache" bei den Arbeitszeugnissen zu und zeigt, wie man zwischen den Zeilen liest und Formulierungen entlarvt, die manche Chefs nicht einmal aus Bosheit einfließen lassen, sondern schlicht aus Unwissen. Solche versehentlich missverständlich formulierten Sätze müssen auf jeden Fall vermieden werden.

Weiter geht es mit dem ebenfalls wichtigen Thema "Zwischenzeugnisse" - was sollte drinstehen, wann hat man Anspruch auf eine Zwischenbeurteilung und dergleichen mehr. Es folgen noch einige rechtlich bedeutsame Aspekte und wichtige Empfehlungen und Tipps der Autoren. Dann wird es interessant: Zahlreiche Beispielzeugnisse auf knapp fünfzig Seiten geben dem Leser einen sehr guten Eindruck davon, wie ein Zeugnis aussehen kann und wie es aussehen sollte, um eine einwandfreie Beurteilung darzustellen. Die abgedruckten Zeugnisse werden jeweils kommentiert und bewertet, Stolpersteine und Fallen werden aufgezeigt, und zwar nicht nur in Bezug auf die Formulierungen, sondern auch in Bezug auf Formalitäten wie richtige Adressierung des Empfängers, Layout, korrekte Unterschrift und anderes mehr.

Der daran anschließende Praxisteil ist sicherlich unentbehrlich für diejenigen, die ihr Zeugnis selbst formulieren und dann vom Chef unterschreiben lassen - inzwischen keinesfalls unüblich. Insgesamt 1001 Beispielformulierungen und Textbausteine sind hier abgedruckt. Aus ihnen kann man sich das Passende heraussuchen und gegebenenfalls anpassen. Dieser Katalog an Beispiel-Formulierungen ist natürlich extrem hilfreich.


Fazit: "Arbeitszeugnisse - Professionell erstellen, interpretieren, verhandeln" ist ein rundum gelungener Berufsratgeber rund um das Thema Arbeitszeugnis. Die Aufmachung ist nüchtern und beschränkt sich auf das Wesentliche: Klar formulierte Tipps, eine Vielzahl an Beispielzeugnissen und eine riesige Auswahl an Textbausteinen führen durch den Formulierungs-Dschungel. Zum kleinen Preis ist dieses Taschenbuch sicherlich unentbehrlich für jeden Arbeitnehmer!