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"Mutter, Vater, Kind" beginnt im Hausflur einer allein erziehenden Mutter, die versucht, ihre Tochter anzutreiben. Die Mutter will zur Arbeit und Line mag nicht ihre Jacke anziehen.
Da kündigt die Mutter für den heutigen Nachmittag Besuch an: Daniel kommt! Line fällt wie vom Schlag getroffen auf den Rücken und stellt sich tot. Daniel ist nun wirklich kein Gast auf den sie sich freut. Daniel trägt im Kindergarten immer Strumpfhosen, er ist ordentlich, folgsam und hört beim Vorlesen so artig zu, als wäre es interessant, den Geschichten zu lauschen. Außerdem wird Daniel immer geärgert und wehrt sich nicht - es kann also nur ein furchtbar langweiliger Nachmittag werden!
Ihr Freund Malte wäre ihr lieber, der ist genauso wild wie sie, baut mit ihr gefährliche Legopistolen und benimmt sich genauso daneben wie sie.
Doch aus dem erhofften Fernsehen wird nichts, sie soll mit Daniel "spielen" - als ob man mit dem spielen könnte!
Dann wagt Daniel auch noch vorzuschlagen, sie sollten Vater, Mutter, Kind spielen - sie hat es ja gewusst, blöde Spiele, bei denen sie immer kochen soll und "Er" tolle Sachen machen kann!
Doch es kommt alles ganz anders und der Nachmittag wird einer der besten, die Line je erlebt hat, sogar Hand in Hand gehen sie später zum Tee trinken in die Küche - und das will bei Line wirklich was heißen!
Die ganzseitigen, sehr gut gelungenen Zeichnungen sind mit einigen wenigen Sätzen pro Seite untertitelt. Größtenteils ist der Inhalt dieser Texte bereits im Bild vermittelt und ermöglicht den Einsatz des Buches auch als reines Bilderbuch für kleinere Kinder. Die wenigen handelnden Personen sind charakterstark dargestellt und sympathisch. Vor allem Line, immer im Zwiespalt zwischen ihrem Geschlecht, den Erwartungen der Umwelt an sie und ihren eigenen Wünschen, ist treffend und in ihren unterschiedlichen Stimmungen sehr lebendig herausgearbeitet.
Weniger interessant sind die Texte. Sie sind exakt entgegengesetzt zum Klischee der Geschlechterrollen:
Daniel hat die Strumpfhosen an, Line ist unordentlich und "wie ein Junge" gekleidet, Daniel spielt mit dem Arztkoffer, Line lieber Cowboy, Daniel hat Angst, Line ist mutig, Daniel wird geärgert, Line verteidigt ihn, Daniel will Essen kochen, Line soll zur Arbeit gehen ...
Das wirkt auf mich so überzogen und aufgesetzt, dass es schon wieder klischeehaft ist. Aber den Kindern stößt das lange nicht so sauer auf wie mir, sie lieben Line sofort und identifizieren sich mit ihr. Diese bewusst extreme "Gegendarstellung" hat pädagogisch natürlich ihren Sinn, lenkt sie doch überhaupt erst das Augenmerk der Kinder (wenn auch unbewusst) auf die Möglichkeit, Rollenbildern nicht zu entsprechen und stärkt so die natürliche Entwicklung des Kindes und fördert die Bereitschaft, sich mit Rollenbildern auseinander zu setzen. Vor allem älteren Kindern fällt diese starke Auflehnung von Line auf und sie beurteilen sie durchweg positiv!