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 Der phantastische Rebell Alexander Moritz Frey

oder Hitler schießt dramatisch in die Luft


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Anspruch
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Preis - Leistungs - Verhältnis


Er gilt als der berühmte Unbekannte unter den deutschen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts: Alexander Moritz Frey. Der in München geborene Literat (1881-1957) zählte zu seinem engsten Freundeskreis die Brüder Thomas und Heinrich Mann, Max Reinhardt, Hans Arp und viele andere Künstler, deren Namen - anders als jener Freys - nicht an den düsteren Gestaden der neueren Literaturgeschichte gestrandet sind. Doch seit einigen Jahren wird emsig an einer Wiederentdeckung A. M. Freys, der schon zu Lebzeiten als einer bedeutendsten Autoren der Weimarer Republik galt, dessen Antikriegsroman "Die Pflasterkästchen" in einem Atemzug mit Erich Maria Remarques "Im Westen nichts Neues" genannt wurde und dessen Werke von Thomas Mann und anderen aufs Höchste gelobt worden sind, gearbeitet. Der Berliner Publizist und Autor Stefan Ernsting, der sich unter anderem für eine erfolgreiche Biografie über Dean Reed verantwortlich zeichnet, wirft mit "Der phantastische Rebell Alexander Moritz Frey" nun eine rund 240 Seiten umfassende Nachzeichnung des Lebens eines zu Unrecht vergessenen Verfassers phantastischer Hochliteratur auf den Buchmarkt - und diese biografische Granate hat es in sich!

Zu behaupten, Ernsting hätte sich mit der Materie hinreichend auseinandergesetzt, wäre fraglos eine Untertreibung, welche dem vorliegenden Buch nicht gerecht würde. Schon nach den ersten Seiten merkt man überraschend erfreut, dass der Autor mit seiner Behauptung, die Beschäftigung mit Leben und Werk A. M. Freys hätte ihm sehr viel Spaß gemacht, keineswegs den Titel eines Baron Münchhausen anstrebt - im Gegenteil: Auf über 200 Seiten fertigt Ernsting vor dem geistigen Auge des interessierten Laien eine Skizze von Freys bewegten und nicht selten von Einsamkeit geprägten Leben an und lädt den Leser zu einer spannenden biografischen Spurensuche ein, in welcher die einzelnen Stationen eines Klassikers der frühen Phantastik und des deutschen Antikriegsromans behandelt werden. Von seiner einsamen Jugend als Einzelkind und seinem spektakulären - von vornherein geplanten - Durchrasseln beim Staatsexamen über seine ersten literarischen Gehversuche und seine Fronterlebnisse als Sanitäter im Ersten Weltkrieg bis zur schwierigen Odyssee über Österreich ins Schweizer Exil, zu welcher ihn das Nazi-Regime gezwungen hat. Nicht oft genug zu betonen weiß Ernsting Freys Rolle im Leben von Adolf Hitler, waren beide doch im Ersten Weltkrieg im selben Regiment tätig und der spätere Führer nicht selten Gast im Lazarett, wo der Literat dem künftigen Demagogen Mittel gegen Magenbeschwerden und Halsschmerzen verschrieben hat; dies nur als eine der vielen köstlichen Anekdoten aus Freys ebenso aufregendem wie unruhigen Leben, welche Ernsting exquisit und mit einem unübersehbaren Schmunzeln an den Leser heranträgt. Doch auch auf Freys Rolle in der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts macht der Autor aufmerksam und sensibilisiert den Leser auf den Spagat zwischen Hochliteratur und Phantastik, Groteske und Satire, welcher Frey von anderen phantastischen Zeitgenossen wie Gustav Meyrink unterscheidet und ihm viel Lob von großen Literaten wie den Brüdern Mann einbrachte.

Stefan Ernsting ist das leider nicht oft anzutreffende Kunststück gelungen, das Leben und Wirken eines nahezu unbekannten Schriftstellers spannend und aufschlussreich aufzubereiten und seine Rolle im Konstrukt der neueren deutschsprachigen Literaturgeschichte deutlich aufzuzeigen. Wo trotz der intensiven Recherchen zu Freys Lebensweg Leerstellen auszumachen sind, werden diese bravourös durch näheres Eingehen auf die zeitgenössische politische und literarische Situation des Künstlers ausgefüllt; sei es nun zur Rolle der Phantastik in der Literatur der Zwischenkriegszeit, ihrer Bedeutung auf die Ausbildung rechtsesoterischer Ideologien wie jener der Thule-Gesellschaft und wissenschaftlichem Mumpitz wie Hanns Hörbigers Welteislehre oder zur Situation der deutschen "äußeren Emigration" in der Schweiz. Der flüssige Erzählduktus trocknet nie zu einem sprachlichen Rinnsal aus, er bleibt stets locker in seinem Ton, womit die vorliegende Biografie - wohl der einzige negative Punkt, sofern man wirklich einen nennen möchte - leider allzu bald schon im Bücherregal steht. Eine Fülle an Zitaten macht den Leser mit Freys Stil vertraut und erlaubt es ihm sich einen ersten Eindruck vom Opus des großen Unbekannten zu machen. Ebenfalls dem Autor zugute halten muss man die zweifelsohne aufwendig zusammengestellte Bibliografie im Anhang des Buches, welche wohl alle bis dato bekannten beziehungsweise "wieder entdeckten" Werke A. M. Freys - von seinen Romanen und Kurzgeschichten über Gedichte und Buchrezensionen bis Drehbüchern und unveröffentlichten Fragmenten - auflistet.

Mit "Der phantastische Rebell Alexander Moritz Frey" hat Stefan Ernsting zweifellos einen bedeutenden Beitrag zur Wiederentdeckung eines zu Unrecht vergessenen Schriftstellers vorgelegt, in welchem es keineswegs akademisch trocken zugeht. Vielmehr besticht die aufschlussreiche Biografie durch eine gründliche Beschäftigung des Autors mit der Materie, gekoppelt mit einem äußerst gründlichen Lektorat und eingebettet in einen ungebremsten Lesefluss. All das macht Ernstings Buch für alle Interessierten - Laien wie auch Literaturwissenschafter - zur uneingeschränkten Kaufempfehlung. Mit der ergiebigen Bibliografie Freys im Anhang und einem abrundenden Verzeichnis relevanter Sekundärliteratur stellt es gleichzeitig eine vorzügliche Anlaufstelle für alle jene dar, welche sich eingehender mit dem berühmten Unbekannten auseinandersetzen möchten. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Biografie den längst notwendigen Stein darstellt, der die Lawine der Wiederentdeckung A. M. Freys ins Rollen bringt …

Michael Höfel



Hardcover | Erschienen: 01. Februar 2007 | ISBN: 9783855351206 | Preis: 19,90 Euro | 238 Seiten | Sprache: Deutsch

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