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 1000 Orte, die man knicken kann


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Viele Reiseführer übertreffen sich gegenseitig mit den tollsten Orten, die man als Tourist, vor allem in Metropolen, unbedingt gesehen haben muss. Werke mit dramatischen Titeln wie "1000 Orte, die man sehen muss, bevor man stirbt" sind der große Renner. Dietmar Bittrich geht nun einen ganz anderen Weg, den man einschlagen soll – oder besser gesagt: nicht einschlagen soll, er beschreibt nämlich die "1000 Orte, die man knicken kann".

Wer ein Verfechter ist von Eifelturm und chinesischer Mauer, wer immer mal auf dem Canal Grande in einer romantischen Gondel fahren wollte, wer den Tower of London liebt oder gerne durch Manhattans Straßen wandelt, der sollte ganz schnell die Finger von diesem Buch lassen. Es handelt sich nämlich um eine fiese Abrechnung mit den größten Touristenfallen, um ein eindeutiges "Finger weg" beziehungswiese "Diesen Ort sollten Sie ganz schnell von Ihrer Besichtigungsliste streichen". Ja, das Buch ist miesepetrig, klischeehaft und unfair. Ja, es ist nicht immer fundiert. Aber: Ja, es bereitet auch diebisches Vergnügen, denn vor allem als passionierter Besucher von Großstädten in aller Welt weiß man ja bereits: Was einem die typischen Reiseführer als Must see verkaufen, entpuppt sich vor Ort als Albtraum, als überlaufene, überteuerte Touristenfalle, die alles ist, nur nicht landestypisch – stattdessen wahlweise langweilig, dreckig, unverschämt teuer, laut, hässlich oder schlicht und einfach unspektakulär.

Genüsslich breitet Bittrich die (tatsächlichen oder vermeintlichen) Mängel der berühmtesten und beliebtesten Reiseziele der Welt vor dem Leser aus und würzt sie mit Zitaten berühmter Einwohner und Reisender, die ebenfalls völlig ungeniert über Land und Leute herziehen. Der Markusplatz in Venedig? Hier reicht eigentlich ein Wort: Taubenkacke. Und wer einmal von einer schwankenden Gondel in den versifften Kanal gefallen ist, der riecht nicht mehr gut, und zwar niemals wieder.
Der Eifelturm in Paris? Man kann froh sein, wenn man danach noch die Kleider am Leib trägt, so viele Taschendiebe tummeln sich hier. Und dass man sich nach stundenlangem Anstehen und Gedrängel nicht aus Frust vom Turm in die Tiefe stürzt, liegt nur an den hinderlichen Sicherheitsscheiben. Die Kanarischen Inseln: Nur für die Generation 70 plus geeignet, von Kakerlaken überrannt und vom Massentourismus für immer geschädigt. Schottland: eintönig, verregnet, bitterkalt. Stockholm: Sogar die Schweden beschreiben die Stadt als tråkig, was so viel wie langweilig, öde und eintönig heißt. Nach und nach entpuppen sich so die vermeintlichen Traumziele als wahre Flops, die das Reisegeld nicht wert sind.

Natürlich darf man nicht alles für bare Münze nehmen, was hier steht, und keinesfalls sollte man sich sein Lieblingsziel vom Autor madig machen lassen. Aber häufig hat Bittrich eben sehr recht mit den unschönen Symptomen des Massentourismus, die fast alle beliebten Reiseziele der Welt heimsuchen. Individualreisende werden sich jedenfalls köstlich amüsieren, und auch sonst ist dieser Reiseführer mit einem ganz großen Augenzwinkern zu lesen.
Vergnüglich sind auch die enthaltenen Tipps, wie man vor Ort lästige Mitreisende los wird – etwa, indem man Tante Erika auf dem Markusplatz eine Tüte Taubenfutter in die Hand drückt und dann schnell in Deckung geht. Oder wenn man dem heißgeliebten Onkel einen zeitraubenden Besuch der Freiheitsstatue auf Liberty Island aufnötigt – den Nachmittag hat man auf jeden Fall frei.

"1000 Orte, die man knicken kann" ist ein hämisch geschriebenes und bisweilen sehr komisches Geschenk für alle, die längst erkannt haben, dass einem viele Reiseführer einfach nur üblen Quatsch erzählen – und dass man keinesfalls gesehen haben muss, was andere als sehenswert einordnen. Zu ernst nehmen darf man das Buch aber nicht, denn Bittrich zieht auch einige wirklich sehenswerte Orte ungerührt durch den Kakao.

Christina Liebeck



Taschenbuch | Erschienen: 1. Juli 2010 | ISBN: 9783499626265 | Preis: 8,95 Euro | 208 Seiten | Sprache: Deutsch

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