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Was ist nicht alles über diese Frau geschrieben worden, die hundert und ein Jahr alt wurde, die Schauspielerin und Tänzerin war, die in der NS-Zeit Filme inszeniert hat, die man ihr nie vergeben hat - die man aber auch nie vergessen hat - und mit deren Ästhetik heute viele Bühnenshows und Filme spielen. Ohne sie auch kein Star Wars und Herr der Ringe - Leni Riefenstahl ist unglaublich modern. Nach dem Krieg machte sie nur noch wenige Filme, wurde aber eine sehr angesehene Fotografin, hat die Unterwasserfotografie geprägt und mit ihren Fotos aus Afrika hat sie ein Dokument aus den Tiefen des Sudans geschaffen, das eine unwiederbringliche Vergangenheit zeigt. Taschen hat zu seinem 25-sten Verlagsjubiläum einen Bildband wieder aufgelegt, der die verschiedenen Reisen der Riefenstahl zu einem wahren Bildbrocken kumuliert. Diesen gab es schon mal zum hundertsten Geburtstag der Künstlerin, damals aber in einer limitierten Ausgabe, ledergebunden und äußerst kostbar. Jetzt gibt es einen soliden Einband und einen geschmackvollen Schuber und wem die Hanteln ausgehen, der kann sich auch mit diesem Buch in Form bringen.
Eine breite Einführung mit Interview-Elementen von Kevin Brownlow ist gleich in vier Sprachen - Englisch, Deutsch, Französisch und Chinesisch - ins Buch eingebaut und auch hier gibt es schon Bilder, die Leni Riefenstahl bei den afrikanischen Völkern zeigen, die sie portraitierte - auch mal am Lagerfeuer mit Lockenwicklern im Haar. Aber so richtig beginnt das Buch erst mit den Fotos, die die Riefenstahl selbst gemacht hat. Fotos von den Nuba und einigen anderen afrikanischen Völkern. Bilder von nackten Menschen, die sich nicht mit Kleidung sondern mit Schmucknarben schmücken und verhüllen, die sich anmalen, Schnüre um die Körpermitte knüpfen, aber da nichts verhüllen, wo der europäische oder asiatische Mensch als erstes mit dem Verhüllen anfangen würde.
Auch die Fotos aus Afrika sind der Riefenstahl immer wieder vorgeworfen worden. Nackte schwarze Menschen, die ekstatisch tanzen, fanden viele Kritiker anstößig, Vergleiche mit den Übermenschen-Inszenierungen ihres "Triumph des Willens" wurden gemacht, andererseits auch eine Art Kolonialismus vorgeworfen. Aber schaut man sich diese Bilder an, schaut man sich speziell die Bilder in der Breite an, wie es diese Edition ermöglicht, dann sieht man vor allem die künstlerische Kraft der Ästhetin, dann sieht man die Neugier auf ein anderes Volk, bei dem sich die Riefenstahl auch immer sehr wohl fühlte. Fast wissenschaftlich dokumentiert sie die vielen verschiedenen Bemalungen und Schmucknarben - die kunstvoll Tiere darstellen, ganze Körper bedecken und mit großer Selbstverständlichkeit getragen werden. Sie hatte schon eine Vorliebe für junge kraftvolle Körper beiderlei Geschlechts, Kinder und Ältere kommen meistens nur am Rande vor. Riefenstahl schaut dahin, wo die größte Anmut, die größte Kraft zu sehen ist. Sie zeigt die jungen geschmückten Männer, die tanzen, die ringen, die sich dabei auch wie im Wrestling-Ring blutig schlagen, sie bleibt dabei, schaut genau hin. Sie zeigt auch die jungen Frauen, die mit ölglänzenden Körpern tanzen, im Tanz ausdrücken, dass sie keine friedlichen Weibchen sind, sondern es mit der inneren Kraft der Männer problemlos aufnehmen können. Die Einblicke sind faszinierend, sinnlich, stark. Ideologische Kritik bleibt da außen vor, ist vielleicht politisch korrekt, aber kann doch an der Oberfläche der Künstlerin nur minimal kratzen. Riefenstahl war eine sehr gute Fotografin, der sich viele Sachen offenbarten, die anderen verborgen blieben - vielleicht auch wegen einer gewissen Naivität, die sie auch mal zu unglaublich schönen Filmen führte, als kongeniale Verfilmerin des Inszenators Albert Speer, die völlig zu Recht im Giftschrank liegen, weil sie die Parteitage der Nazis zum Thema hatten.
Viel interessanter wäre eine Kritik der Bilder, denn nicht alles in diesem Band ist von großer Ästhetik. Gerade unter den eher dokumentarischen Fotos von Bemalungen oder der Herstellung von Schmucknarben gibt es einige, die wirklich nur dokumentarisch sind und nicht fotografisch durchdacht. Einiges ist auch recht unscharf, was am Fotomaterial der fünfziger Jahre nicht gelegen haben kann. Da fehlt dann mal das Licht, da gibt es Verwackelungen. Tanz- und Ringer-Bilder fallen schon mal ziemlich dunkel aus, und die dazwischen gesetzten Tier- und Landschaftsbilder sind von konservativer Langeweile erfüllt - nette Fotos. Und dann sind da wieder diese Augen, die so viel sagen, die Körper, die so viel Spannung transportieren und zu fremdartigen Gedichten werden.
Zu einem großen Teil ist dieses Buch, das auch noch Kurz-Biografie und Filmografie ist und zu allen Bildern noch weitere Erklärungen im Anhang anbietet, eine Sammlung großartiger Fotografie, die einfach und wortlos auf den Betrachter einstürmt. Eine Bildsammlung, die man auch genießen kann, wenn da Bilder zwischen sind, die nicht so großartig sind, dafür aber oft viel Gefühl, viel Liebe und Neugier ausdrücken. Leni Riefenstahl fuhr als Freundin zu den Nuba und das zeigt sich auch in den Bildern, die immer Respekt und Bewunderung im Blick haben.