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 Bericht eines Schiffbrüchigen


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Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Am 28. Februar 1955 sind acht Besatzungsmitglieder des kolumbianischen Zerstörers Caldas im karibischen Meer, unweit von Cartagena, über Bord gespült worden und ertrunken. Nach vier Tagen wurde die Suche nach den Vermissten eingestellt. Zehn Tage später wurde einer der Männer, der Matrose Luis Alejandro Velasco, an einem verlassenen Strand Nordkolumbiens gefunden. Nachdem die kolumbianische Militärdiktatur den Mann zum Helden stilisiert hatten, erschien er in der Zeitungsredaktion des El Espectador und erzählte seine Geschichte dem Journalisten Gabriel García Márquez.
1970 wurde der mehrteilige Artikel erstmals unter dem Namen des Autoren in Buchform veröffentlicht, 1982 erstmals in deutscher Sprache bei Kiepenheuer & Witsch und 2007 als Taschenbuch bei S. Fischer.

Luis Alejandro Velasco hat ein ungutes Gefühl. Er hat zum ersten Mal in seinem Seefahrerleben Angst vor der Überfahrt vom amerikanischen Mobile nach Cartagena, dem kolumbianischen Heimathafen des Zerstörers Caldas. Schnell merken die erfahrenen Seeleute, dass der Zerstörer falsch beladen wurde und kaum manövrierfähig ist. Immer wieder müssen alle Matrosen sich an der Backbordseite einfinden, um ein Kentern zu verhindern.
Am 28. Februar ist Velasco mit sieben Kameraden mit der Sicherung der Ladung beschäftigt, als diese sich löst und die Männer mit sich reißt. Luis gelingt es mit letzter Kraft auf ein Floss zu gelangen. Er sieht vier Männer in der aufgewühlten See ertrinken und ist wenig später allein. Der Zerstörer, nicht in der Lage zu wenden oder eine Suche nach den Matrosen zu veranlassen, verschwindet am Horizont. Sie sind kaum zwei Stunden von Cartagena entfernt.
Luis hofft auf schnelle Rettung. Der Zerstörer wird funken, dass Matrosen über Bord gegangen sind, Schiffe werden ausgesandt werden, Flugzeuge auf die Suche gehen. In drei bis vier Stunden werden sie ihn aufnehmen und der Alptraum wird ein Ende haben.
Doch niemand erscheint. Flugzeuge werden am Horizont sichtbar und verschwinden wieder. Nach drei Tagen weiß Luis, dass niemand ihn mehr sucht, keine Hoffnung auf Rettung mehr besteht. Er hat keine Ruder, kann das Floß, das durch Wind und Strömung immer in dieselbe Richtung zu treiben scheint, nicht steuern. Wohin die Reise geht, kann Luis nicht bestimmen. Er hat kein Trinkwasser, nichts zu essen und bald keine Hoffnung mehr.

Bereits im Vorwort der ersten Buchausgabe rätselt Márquez über die Beweggründe, diese Artikelserie von 1955 neu herauszubringen. Damals wollte man den Betrug der Militärs aufdecken. Bis zum Verbot der Zeitung hielt man durch und strafte die Diktatur Lügen. Der unprätentiöse Bericht hatte seinen Sinn und Zweck in dieser Zeit, doch heute? Márquez vermutete 1970 einzig seinen Namen als Grund für das Buch.

Auch 2007 muss man sich fragen, warum diese Odyssee der großen Fangemeinde von Márquez zugemutet wird. Literarisch bietet dieses schmale Bändchen sehr wenig. Es ist ein langer Zeitungsartikel, der den Bericht des Seemanns in der Ich-Form ohne jedwedes schmückende Beiwerk dokumentiert. Keine Allegorie, kein philosophisches Konstrukt, keine Sinnfragen werden gestellt. Nicht ein Wort des Autors ist dem Bericht des Matrosen hinzugefügt, Márquez ist nur der Chronist, nichts sonst.
Das macht er zwar sehr gut - und er vermag diesen Überlebenskampf minutiös zu beschreiben - doch bleibt es ein Zeitungsartikel ohne jeden Tiefgang. Es ist eine bloße Beschreibung eines zehn Tage währenden Überlebenskampfes. Die Schilderungen sind sehr exakt und interessant, doch fehlen innere Betrachtungen des Matrosen oder des Autors völlig. Dieser rein physische Bericht fesselt allein durch die Tatsache, was dieser Mann überlebt hat.

Dieses Buch ist eine große Enttäuschung. Nicht der weltberühmte Gabriel García Márquez schreibt hier einen Roman über den zehntägigen Überlebenskampf eines Matrosen, sondern der achtundzwanzigjährige Zeitungsreporter G. M. Márquez bringt den mündlichen Bericht des Matrosen Luis Alejandro Velasco in druckbare Form. Dies macht er ohne jeden Zweifel sehr gut. Dies ist aber auch sehr uninteressant für eine Leserschaft, die einen zweiundfünfzig Jahre alten Zeitungsbericht zu lesen bekommt - einzig aus dem Grund, dass ihn Gabriel García Márquez geschrieben hat.

Stefan Erlemann



Taschenbuch | Erschienen: 01. Mai 2007 | ISBN: 9783596510016 | Originaltitel: Relato de un náufrago | Preis: 7,00 Euro | 163 Seiten | Sprache: Deutsch

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