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Sogenannte "lebensnahe" Komödien kommen immer mehr in Mode, so scheint es, wenn man sich mal auf dem Büchermarkt umschaut.
Auch "Berliner Verhältnisse" von Raul Zelik möchte die Verhältnisse in Berlin - und auch dem Rest der Republik - etwas überspitzt darstellen.
Mario und die anderen Bewohner seiner WG leben so vor sich hin und sind eigentlich ganz zufrieden mit ihrem Leben, bis Mario merkt, dass er älter wird und er nicht mehr damit einverstanden ist, dass Tag und Nacht illegale Einwohner in seiner Wohnung Unterschlupf suchen, kochen, reden und leben. Eine neue Wohnung, vor allem für die Rumänen, muss her. Das ist einfacher gesagt als getan, ist Geld doch immer knapp bei den Wglern und auch die Rumänen haben das Problem, dass ihr Chef Patzky, ein Elektroinstallateur vom Bau, sie nicht bezahlt hat. Warum auch, sie sind ja Schwarzarbeiter und können nicht klagen. Mario und seine Freunde Wassili, Piet und Didi lassen sich etwas einfallen: Sie treiben einfach das Geld bei Patzky selbst ein! Das hat ungeahnte Konsequenzen und das Quartett wird zu einem gefürchteten Inkasso-Unternehmen. Natürlich kann es da auf Dauer nicht gut gehen, dass Mario einen Bruder hat, der Immobiliengeschäfte betreibt - auch wenn Wolfgang es nie so nennen würde, er ist schließlich sozial eingestellt. Zusätzliche Probleme bereiten dann auch noch Melek, Marios neue Freundin, Marios Mutter, die auf einmal von ihrem alternativen Lebensstil abzukommen scheint, Wolfgangs Sohn Tomimoto, der mal eben den Zentralrechner der Commerzbank hackt, diverse Exfrauen von Wolfgang, Hasan, ein Mitarbeiter Wolfgangs, der nicht so ganz das ist, was er zu sein scheint, und viele andere mehr oder weniger originale Berliner. Diese ganzen Verwicklungen und Probleme wachsen Mario über den Kopf, bis er sich nur noch durch eine - unüberlegte - Entführung zu helfen weiß
Das ist anfangs auch alles ganz lustig, wenn man auf chaotische Verwicklungen steht und auf Männer, die langsam merken, dass sie nicht mehr die jüngsten sind und damit mit einem seltsamen Schockzustand reagieren. Mario ist zwar nicht alt, er fühlt sich aber hin und wieder so und lässt das in Ausbrüchen an seiner Umwelt aus. Auch hat er das Problem, dass er die Leute um sich herum einfach nicht versteht: Seine Freundin sagt angeblich nie, was sie will, seine Mutter hat sich verändert, mit seinem Bruder ist er noch nie wirklich gut ausgekommen und seine Freunde spinnen eh. Da kann ja keine Kommunikation aufkommen.
Wenn das alles noch durchgehend spannend und lustig geschrieben wäre, wäre es ja alles in Ordnung. Aber nach etwa der Hälfte des Buches wird es nervig. Da denkt man als Leser doch, dass ein erwachsener Mann sich mal zusammenreißen könnte und aufhören könnte, sich als Kleinkind aufzuführen.
Die sogenannten Berliner Verhältnisse sind gar nicht so Berlin-spezifisch: Outsourcing, Arbeitslosigkeit, Alleinerziehende, Asylbewerber gibt es überall, nicht nur in Berlin. Und es gibt bestimmt auch andere Städte, in denen ein Unternehmer hin und wieder ein schlechtes Gewissen bekommt.
Und wenn schon Berlin-Klischees, dann könnten die Charaktere doch wenigstens so sprechen wie das Klischee eines Berliners? Aber nein, allerschönstes Hochdeutsch wohin man liest, lediglich einer der Einwanderer spricht etwas gebrochen und das kann man wohl kaum als Berliner Dialekt werten.
Man taucht als Leser in die Gedankenwelt Marios ein, was schade ist, da dadurch der ganze Roman von seinem phlegmatischen Wesen und seiner Gleichgültigkeit gegenüber allen Mitmenschen durchdrungen wird. Nur wenn er sich aufregt, ist er nicht mehr so gleichgültig, aber diese Aufreger sind dann wieder so ungerechtfertigt, dass man sich wünschen würde, der Autor hätte auch auf diese paar Ausbrüche verzichtet. Die Charaktere sind so klischeeartig überzeichnet, dass es schon nicht mehr witzig ist. Hier kann keine Überraschung aufkommen, jede Aktion ist so vorhersehbar, als hätte man den Plot selbst entworfen. Immer wieder nimmt der Autor eine Wende, um ja noch nicht das eigentlich vorhersehbare Ende aufzuklären. Diese Wendungen verhindern dann aber vollends, dass so etwas wie Spannung aufkommt. Immer wieder wird gebremst, immer wieder wird ein eigentlich sinnloser Ausflug in ein Unternehmerloft, ein türkisches Café, auf einen Jahrmarkt oder in einen Feinschmeckerladen unternommen. Was soll das? fragt man sich mehr als einmal.
Das Buch ist stellenweise unterhaltsam, leider aber nehmen die nervenden Stellen mit der Zeit überhand und man blättert immer mal weiter, um vielleicht doch wieder eine interessante Szene aufzuschlagen. Doch das bleibt meist vergebliche Hoffnung. So bleibt nur, sich langsam durch das Buch zu arbeiten und sich zu fragen, warum Bücher ohne Tiefgang und ohne wirkliche Spannung überhaupt veröffentlicht werden. Wenn man ein wenig gegenüber seiner Umwelt abstumpfen möchte, ist diese Lektüre ideal, Marios schon erwähnte Gleichgültigkeit gegenüber allem färbt doch etwas ab.