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Was die gegenwärtige Horrorliteratur angeht, so führt momentan - fast - kein Weg an Brian Keene vorbei, der für viele schon als der mögliche Nachfolger Stephen Kings gehandelt wird. Das lässt einerseits aufhorchen, bedeutet aber unter Umständen auch extrem hohe Erwartungen. Und nicht selten sind hoffungsvolle und talentierte Autoren genau daran gescheitert. Glücklicherweise enttäuschte Keene mit seinen Werken bisher nicht; im Gegenteil. Das könnte jedoch mit seinem neuesten Roman schon ganz schnell anders kommen, verlässt Keene doch mit "Dark Hollow" (zu deutsch "Das dunkle Tal") sein angestammtes Terrain aus apokalyptischen Endzeit-Epen und verlagert den Schrecken in eine Kleinstadt.
Und genau dort lebt der Schriftsteller Adam Senft. Zu erfolglos, um als Bestseller-Autor betitelt zu werden, und zu verschuldet, um damit aufzuhören, besteht Adams täglicher Ablauf aus Arbeit, Arbeit, Arbeit. Von morgens bis abends. Wäre da nicht sein treuer Hund Big Steve - möglicherweise wäre Adam längst durchgedreht. Allerdings entstammt sein psychischer Zustand nicht nur der Tatsache, dass es gilt, Abgabetermine einzuhalten. Der Ursprung ist tiefer verwurzelt. Genauer gesagt in den beiden Fehlgeburten seiner Frau Tara. Über das einstmals fröhliche Heim der Senfts hat sich ein Schleier aus Melancholie und Trauer gelegt ob der höchstwahrscheinlichen Aussicht, kinderlos zu bleiben.
Doch dann ändern sich die Dinge. Genauer gesagt, nachdem Adam seine attraktive Nachbarin Shelly Carpenter bei einer äußerst delikaten Tätigkeit entdeckt. Mit einer Statue - oder war es doch nur ein Mann in einem Ziegenkostüm? Schockiert, verwirrt und aufgewühlt zugleich, versucht Adam, mehr über seine Entdeckung in Erfahrung zu bringen - nur um festzustellen, dass Shelly scheinbar vom Erdboden verschwunden ist. Doch sie soll nicht die einzige bleiben. Doch was sich für die Behörden wie ein weiteres Verbrechen anhört, hat seinen Ursprung in den angrenzenden Wäldern und ist nicht menschlichen Ursprungs ... Stets begleitet von den Melodien seiner Pfeife, lockt ein satyrähnliches Wesen die Frauen zu sich, um mit ihnen Schreckliches anzustellen. Allerdings sind die verschwundenen Frauen nicht die einzigen Personen, die den Lockruf der Flöte vernommen haben. Adam und einige der - männlichen - Nachbarn haben sie ebenfalls gehört. Doch würde ihnen die Polizei glauben, wenn sie die Wahrheit erzählen würden? Letztlich bleibt den Männern keine andere Wahl: Gemeinsam brechen sie auf ins Reich des Satyrs, dessen Ruf mittlerweile auch Adams Frau erlegen ist ...
"Dark Hollow" ist in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswertes Buch - und möglicherweise der erste richtige Meilenstein in Brian Keenes Karriere. Die Sicht der Dinge aus den Augen des Schriftstellers Adam Senft dürfte sicherlich autobiografisch angehaucht sein, die weniger glücklichen Episoden aus Senfts Privatleben ebenso. Und man fühlt sehr schnell mit dem Protagonisten - aber auch mit dem Rest des Ensembles, sogar mit Big Steve. Erneut hat Keene lebendige, scheinbar aus dem realen Leben gegriffene, prägnante Charaktere geschaffen, welche dem Leser sehr schnell ans Herz wachsen. Und womöglich wirkt auch deshalb der schleichende, aber immer konstant zunehmende Schrecken umso intensiver. Meisterhaft, wie es Keene gelingt, eine immer packendere Spannung zu erzeugen, ohne dabei klischeehaft oder wie eine Kopie zu wirken. Gleichzeitig erschafft Keene einen eigenen Mikrokosmos voller Legenden, Mythen und Querverweise auf frühere Werke. In diesem Zusammenhang sei das - noch - unerforschte, aber immer wieder erwähnte "Labyrinth" erwähnt, welches offenbar eine Art Zentrum seiner erdachten Welten darstellt und auf Großes schließen lässt.
Fazit: "Dark Hollow" ist ganz großes (Horror-)Kino. Doch gerade weil er offensichtlich noch längst nicht den Höhepunkt seines schriftstellerischen Könnens erreicht hat, gibt es "nur" vier Sterne.