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Sie leben inmitten des Dorfs und sind doch Ausgestoßene - der junge John und seine Mutter, die als Heilerin ihr Auskommen fristet und zugleich als Hexe geschmäht wird. Immer wieder attackiert die Dorfjugend John als "Hexenkind", drangsaliert und verhöhnt den Jungen, und die Erwachsenen bedrohen Johns Mutter immer aufs Neue mit dem Tod, obwohl sie sich zugleich bei Krankheiten Rat bei ihr holen. Denn es sind bewegte Zeiten: Der Schauplatz ist das England des 17. Jahrhunderts, die Bigotterie der Puritaner unter ihrem Anführer Oliver Cromwell hat das Land in einen Bürgerkrieg gestürzt. In London rollen die Köpfe, und die Ideen von Sittsamkeit, Gottesfurcht und Selbstzüchtigung wabern wie ansteckende Krankheiten in alle Winkeln des Landes. Mit der Ablehnung der Hexe und ihrem Sohn werden die Ängste vor der eigenen Sündhaftigkeit kompensiert, und bald ziehen die Dörfler mit Brandfackeln auf das Haus der Verfemten zu.
Ein Rausch der SinneAuf der Flucht stirbt Johns Mutter. Ihre einzige Hinterlassenschaft ist die Erinnerung an ein Buch, das die geheimnisvollen Kochrezepte für das "Fest des Saturnus" enthielt ... dem heidnisch-ekstatischen Gegenmoment zur puritanischen Freudlosigkeit. John verschlägt es nach einigen Wirren in das Herrenhaus von Buckland, wo er als Küchenjunge sein Brot verdienen muss. Doch sein großes Wissen über Pflanzen und Gewürze, über die Zubereitung der köstlichsten Speisen sichern ihm rasch den Aufstieg zum Koch. Als John sich allerdings in die adelige Tochter des Hausherrn verliebt, die bildschöne Lucretia, wird es für ihn rasch ungemütlich. Der blutige Aufstieg Cromwells hinterlässt auch in Buckland seine Spuren ... und Johns einzige Waffe ist sein Wissen um das "Fest des Saturnus".
Historischer LeckerbissenLawrence Norfolk legt mit "Das Festmahl des John Saturnus" seinen vierten historischen Roman vor, nachdem er 1991 mit "Lemprières Wörterbuch" einen Welterfolg landete. "Das Festmahl des Saturnus" ist aus gleichem Holz geschnitzt, oder sollte man sagen: Aus demselben brodelnden Topf gekocht? In einer wundervollen, bildhaften Sprache eröffnet Norfolk uns das England des 17. Jahrhunderts, schildert glaubhaft Dorf- und Adelskultur und zeigt, wie die politisch-religiösen Wirren auch die Köpfe der Menschen erfassten. Das schon im Titel angelegte kulinarische Motiv des Kochens, das hier symbolhaft der Freudlosigkeit und dem Verzicht des Puritanismus entgegengesetzt wird, zieht sich durch den gesamten Roman. So unterbrechen immer wieder Kochrezepte aus dem "Buch des Saturnus" die Handlung, die von derben, üppigen Genüssen vergangener Zeiten künden.
Am Ende etwas zerfasertKann Norfolk in der ersten Romanhälfte die Spannung durchaus halten, zerfasert zum Ende hin die Handlung zunehmend. Der vom Leser erwartete Clou bleibt aus, eine überraschende Wendung kommt zu spät und auch zu zögerlich. Dennoch ist das Buch ein Lesevergnügen - die Formulierkunst des Autors, exzellent ins Deutsche übertragen von Melanie Walz, trägt auch ereignisarme Passagen. Wer seinen Historienroman eher mit großem Konflikt und Waffengeklirr schätzt, könnte allerdings enttäuscht sein.
Fazit"Das Festmahl des John Saturnus" ist ein ruhiger, farbenprächtiger Historienroman vor grandioser Kulisse. Zwar lässt er die ganz großen Linien vermissen, wie sie etwa ein Umberto Eco oder ein Salman Rushdie auf das Papier zu bannen vermag, doch Norfolk spielt klar in der gleichen Liga. Wer sich für die Epoche Cromwells interessiert und beim Mittagessen den saftigen Schweinebraten einem Salat vorzieht, wird den Roman mit Genuss lesen.
Eine Leseprobe findet sich auf der Verlags-Webseite.