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2018 hat der Dreißigjährige Krieg gewissermaßen seinen 400. Geburtstag. Aus diesem Anlass hat der Verlag Theiss das umfangreiche Werk des englischen Historikers Peter H. Wilson herausgebracht, das in Großbritannien bereits 2009 erschienen ist und als Opus magnum betrachtet wird. Es besteht aus drei Teilen: "Die Anfänge", "Der Konflikt" und "Nach dem Frieden".
Als Aufhänger dient der Prager Fenstersturz – im einleitenden Kapitel geht er einer Gegenüberstellung der geläufigen Interpretationen des Dreißigjährigen Krieges und Betrachtungen zu den Intentionen des Buchs voran. Die drei großen Abschnitte bestehen jeweils aus etlichen wiederum unterteilten Kapiteln. Im Anhang finden sich auf rund neunzig Seiten Anmerkungen, ferner Erläuterungen zu den Währungsangaben, ein Verzeichnis der in die Texte integrierten Karten und Schlachtenpläne, Bildnachweis, Erläuterungen zu Abkürzungen, Literaturverzeichnis und Personenregister.
Fast tausend Seiten ohne Anhang umfasst dieses wahrlich gewichtige Buch. Allein ein solcher Umfang kann gerade Laien durchaus abschrecken. Bezogen auf Peter H. Wilsons Werk lohnt sich jedoch ein gewisser Mut – denn langweilig wird der Band an keiner Stelle. Dies liegt nicht nur am angenehmen Stil, an den klaren Darstellungen, die sich nicht nur auf die bekannten Schlachten innerhalb des Heiligen Römischen Reichs beschränken, sondern auch die politischen Schachzüge und Stellvertreterkriege im restlichen Europa aufgreifen, an den anschaulichen Schlachtenskizzen und Karten sowie den Porträts der Protagonisten (und hier keineswegs lediglich Wallenstein, Tilly und Gustav Adolf).
Es gelingt Wilson, den Dreißigjährigen Krieg als ein gewaltiges europäisches Panorama darzustellen, mit zahlreichen Verwerfungen und opportunistischen Aktionen an den Rändern wie etwa in Siebenbürgen, England, Spanien und den vielen kleinen politischen Gebilden südlich und südöstlich der Alpen. Dass die Konfessionen letztlich fast nur noch ein Vorwand für territoriale und dynastische Konflikte waren, erschließt sich dem Leser rasch.
Da der Autor nicht nur auf die einzelnen Kämpfe, Befehlshaber, Strategien, Herrscher und Ambitionen, sondern ebenso die Auswirkungen auf die Bevölkerung in den einzelnen Landstrichen eingeht und ein differenziertes Bild vom Leben, Überleben und Sterben in den drei Jahrzehnten von 1618 bis 1648 entwirft, können sich Leser gut in die damaligen Verhältnisse einfühlen und diese, wie es im Untertitel treffend heißt, europäische Tragödie beinahe hautnah miterleben. Die Skizzen und Karten wie auch die verschiedenen Übersichten im Anhang tragen hierzu mit bei.
Allerdings dürfte es den meisten fachfremden Lesern schwerfallen, angesichts der Fülle an Informationen, Personen mit vielfältigen Motivationen, Schauplätzen und politischen Schachzügen den Überblick zu behalten. Es fehlt eine Tabelle mit den wesentlichen Ereignissen, an denen sich der Leser – vor allem nach einer längeren Unterbrechung der Lektüre – "entlanghangeln" kann.
Insgesamt also ein sehr lesenswertes, durchdacht konzipiertes Buch, das die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts mitsamt den vorangegangenen Krisen und dem "Danach" detailliert und gut nachvollziehbar schildert, jedoch den Laien womöglich auch ein Stück weit mit seiner Fülle an Informationen "erschlägt".
Eine Leseprobe finden Sie hier.