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Der junge Pfarrer und Dechant Frank Buschhoven ist in mehr als einer Hinsicht unkonventionell: Er hört Rockmusik, lässt kaum eine Fete aus und verkündet Ideen, die den klassischen Vorstellungen der katholischen Kirche zum Teil diametral gegenüberstehen. Das alles hat die typisch-dörfliche Pfarrgemeinde in der Eifel, der er vorsteht, noch einigermaßen verkraftet; mit etwas herablassendem Wohlwollen beobachtet man ihn wie ein ungestümes Kind.
Dies ändert sich, als die Dorfbewohner bemerken, dass der Pfarrer seine Haushälterin Paula allzu gern mag. Zunächst sieht man beide gemeinsam bei den Dorffesten, was für ersten Tratsch sorgt. Dann wird Paula schwanger. Frank Buschhoven versichert ihr, er werde zu ihr und dem Kind stehen. Als die tonangebende Clique sich wie erwartet das Maul zerreißt, stellt sich Buschhoven vor Paula, ohne sich allerdings zu dem Kind zu bekennen, und dabei bleibt es auch. Aber natürlich sind die richtigen Schlüsse längst gezogen, und nach der Geburt des kleinen Klaas nehmen die Schikanen zu.
Buschhoven entschließt sich, in die Offensive zu gehen, und weist seine Gemeinde zurecht, bezichtigt sie in einer flammenden Predigt kollektiv des Mobbings. Das geht der eingeschworenen Gemeinschaft der Tonangebenden erst recht zu weit, und auch die Ruhigen sind verstimmt. Buschhovens Vorgesetzte werden eingeschaltet, und ihm, aber auch Paula wächst der resultierende Kleinkrieg, der sich zu einem beträchtlichen Teil über die Presse abwickelt, über den Kopf, zumal Menschen, die Buschhoven jahrelang für treue Freunde gehalten hat, ihm jetzt schmählich in den Rücken fallen.
Und so schlittert die Familie, die keine sein darf, in eine Katastrophe.
Die in Teilen verlogene beziehungsweise scheinheilige oder inkonsequente, wie auch immer man es bezeichnen möchte, Sexualmoral der katholischen Amtskirche ist Gegenstand zahlreicher belletristischer Veröffentlichungen. Was vor wenigen Jahrzehnten schockierte, brüskierte oder auch bestürzte wie die "Dornenvögel", gehört inzwischen zu den eher abgedroschenen Themen, die kaum noch provozieren, wenn es nicht gerade um Kindesmissbrauch geht.
Vielleicht deshalb überspitzt Manfred Reuter die Dramatik in seinem Roman stellenweise und lässt sich wirklich alles gegen Pfarrer Buschhoven, Paula und den kleinen Klaas verschwören mit Ausnahme einer alten Frau. Allerdings gelingt es dem Autor, die Grenze zu Klischee und Kitsch nur allenfalls stellenweise zu berühren, sie jedoch nicht nennenswert zu überschreiten.
Die Darstellung der zerbrechenden Liebesgeschichte und des nur scheinbar betulichen, nicht unerheblich aber von Hierarchien und Abhängigkeiten und vor allem Scheinheiligkeit und Gehässigkeit gegenüber "Anderen" geprägten dörflichen Lebens hat durchaus etwas Realistisches. Ein ähnlich harter Wind würde wohl so manchem Pfarrer in kleineren Gemeinden in einer vergleichbaren Situation entgegenwehen. Nicht so realistisch wirken einige Reaktionen des Pfarrers, der sich zwar als nicht so stark entpuppt, wie Paula und wohl auch er selbst angenommen haben, aber gerade deshalb mit seinen Hau-drauf-Aktionen etwas inkonsequent gezeichnet wird.
Die Handlung schwankt zwischen einer Vielzahl von Perspektiven hin und her, etliche Rückblenden, auch anhand von Klaas? und Paulas Lektüre von Buschhovens Tagebüchern zu Buschhovens Kindheit, eingeschlossen. Der Leser mag hier stellenweise den Eindruck erhalten, der Autor habe sich verzettelt beziehungsweise es zu gut gemeint beim Bemühen, Buschhovens Beweggründe für seine Berufswahl darzustellen. Trotz der im Ansatz vorhandenen Tiefgründigkeit der Geschichte und der eigentlich interessant angelegten Charaktere erzeugen die ständigen Sprünge den Eindruck einer gewissen Oberflächlichkeit.
Das Buch ist insgesamt gut und auch recht spannend zu lesen, kirchenkritisch ohne einseitige Verdammung, im Mittelpunkt stehen das Menschliche und seine Verletzlichkeit durch Vorurteile und die Mühlen des Kirchenapparats. Wer die Thematik mag, wird in diesem Roman vermutlich eine interessante Lektüre finden.