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In "Der Ursprung der Schönheit – Darwins größtes Dilemma" versucht Josef H. Reichholf zu klären, warum es in der Natur offensichtlich die Tendenz gibt, schöne Lebewesen entstehen zu lassen.
Zunächst legt der Autor dar, dass Schönheit nicht nur subjektiv im Auge des Betrachters existiert, sondern durchaus objektiven Kriterien genügt und nicht wegzudenken ist aus der Tier- und Menschenwelt. Dafür nimmt er sich im ersten Kapitel zweier Fallbeispiele an, die er sehr genau analysiert.
Zum einen ist dies der Pfau, zum anderen der Hirsch. Neben weiteren Tieren sind es diese beiden Arten, die schon Darwin fast um den Verstand brachten. Warum hat der Pfau ein derart hinderliches, störendes und offensichtlich nach extremer Verschwendung schreiendes Federkleid entwickelt? Warum der Hirsch ein Geweih, das viel zu groß, sinnlos und verschwenderisch erscheint.
Reichholf legt dar, dass sowohl das Pfauenrad als auch das Hirschgeweih nicht im mindesten Verschwendung, Luxus oder Überfluss ist, sondern sehr exakt dem Output des weiblichen Stoffwechsels bei der Produktion des Nachwuchses entspricht und weder das Tier behindert – ja, auch der Pfau ist nicht durch die meterlange Schleppe behindert oder in seiner Beweglichkeit eingeschränkt - noch in der Evolution eine Sackgasse bildet, die die Art benachteiligt oder das männliche Tier dem Untergang entgegen treibt.
Im zweiten Kapitel widmet sich Reichholf dem Ursprung der Schönheit und den ihr inneliegenden Symmetrien, ehe er sich im dritten Teil seines Buches dem Menschen zuwendet.
Josef H. Reichholf widmet sich einem Thema, das in Evolutionstheorien lange sträflich missachtet oder gar absichtlich ausgeblendet wurde. Als subjektiv, rudimentär und zu variabel gilt "Schönheit" als unwissenschaftlicher Begriff. Als nicht fassbare, nicht quantifizierbare und mit Sicherheit nicht verifizierbare Kategorie, die einzig der Mensch in die Diskussion einbringt und eher philosophisch-soziologisch definiert.
Doch weit gefehlt. In einer ausufernd kleinschrittigen Analyse legt Reichholf dar, wie sehr sich Evolutionstheoretiker und Biologen irren. Schönheit ist objektiv vorhanden, hat im Sinne der Evolution ihren Sinn und ist mitnichten Beiwerk und Fassade. Ganz im Gegenteil, die Evolution hat mit der Schönheit eine Waffe, die die weitestgehend gleichen inneren Bedingungen erst zu äußerlich unterscheidbaren Individuen werden lässt. Erst durch die Schönheit wird "der Kampf ums Dasein" sinnvoll, zielgerichtet und verständlich. Erst die Schönheit offenbart, welch extreme Freiheitsgrade die Umwelt dem einzelnen Lebewesen ermöglicht. Dieser fast vergessene Faktor, gern übersehen, allenfalls mit Bachschmerzen in die Theorien eingepasst, ist das eigentliche Nadelöhr, die vielleicht entscheidende Essenz, die eine Menschwerdung erst möglich machte und den Homo sapiens zum modernen, augenscheinlich sehr von Umwelt und Evolution abgelösten Kulturwesen macht.
Reichholfs Buch ist brillant in seinen Schlussfolgerungen, argumentativ schlüssig und analytisch trennscharf. Es macht Spaß dem Autor auf dem schwierigen Weg hin zu einer ersten Erklärung der Schönheit zu folgen. Im Mittelteil des Buches sind wichtige Aspekte dieser Analyse durch sehr gute Farbfotografien illustriert.
Leider ist es auch furchtbar langwierig in seinen extrem kleinschrittigen Erläuterungen. Viel zu oft lässt der Autor sein enormes Wissen über Vögel einfließen, gibt sich der Versuchung hin, noch ein ausufernd genaues Beispiel anzuführen. Darunter leiden der Lesefluss und leider auch der Schluss des Buches, der allzu hastig, knapp und nicht zu Ende gedacht wirkt.
"Der Ursprung der Schönheit" sollte jeder an Evolution interessierte Leser unbedingt durchlesen, es lohnt sich sehr dem Sinn der Schönheit, die uns überall in der belebten Natur begegnet, auf die Spur zu kommen.