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 Die Druckerin

Autoren: Ruth Berger
Verlag: Rowohlt Tb

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Die Witwe Blume Liebes, Druckerin in der kleinen jüdischen Gemeinde Kamenka am Dnjestr, hat es satt, allein zu sein. Der Strumpfwirker Nate Deutsch aus Raschkov, den sie vom Markt kennt, sieht nicht wie eine gute Partie aus: ein einfacher Handwerker, grobschlächtig, unorthodox und ungebildet, aber Blume fühlt sich zu ihm hingezogen, denn trotz seiner äußerlichen Grobschlächtigkeit scheint er ein liebevoller und sanfter Mann zu sein. Und was noch wichtiger ist, er scheint ihre Gefühle zu erwidern.
Die Heiratsvermittlerin Süßel Schächter schlägt die Hände über dem Kopf zusammen: Muss es denn gerade dieser Mann sein? Doch die anderen vorteilhaften Angebote, die sie Blume unterbreitet, schlägt die junge Frau in den Wind; dieser soll es sein oder gar keiner. Also schreibt Blume ihm selbst einen Brief und lädt Nate ein, mit ihr den Ehevertrag auszuhandeln und den Termin für die Hochzeit festzusetzen.
Wenig später reist Blume nach Raschkov, um ihren Vater von der bevorstehenden Hochzeit zu unterrichten. Ihr Vater, ein berühmter Rabbiner, ist außer sich. Blume erfährt, dass ihr Nate ein Mörder sein soll, der fünfzehn Jahre zuvor den gelehrten Sohn des weithin als "Jampoler Klausner" bekannten kabbalistischen Lehrers Menachem Mendel aus Eifersucht und Zorn erschlagen hat und nur durch Protektion seiner gerechten Strafe entgangen ist.
Vollkommen entsetzt reist Blume zu Nate, um die Verlobung aufzukündigen; einen Mörder kann sie bei aller Liebe nicht heiraten, das kann sie weder sich selbst noch ihrer Familie antun. Doch Nate behauptet, unschuldig zu sein ...
Blume beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen. Mit Hilfe ihres Bruders untersucht sie die fünfzehn Jahre zurück liegenden Vorgänge, die mit dem Tod des Klausnersohnes endeten. Dabei gewinnt sie nicht nur ein sehr vielschichtiges Bild von ihrem Verlobten, der ein ganz anderer Mensch ist, als sie glaubte, sondern stößt auf die Spuren einer alten Verschwörung, auf ein von Ehrgeiz und Neid vergiftetes Klima, das die scheinbar so fromme Gemeinschaft des Klausners in den Tagen des Mordes zu zerreißen drohte.

Ruth Bergers historischer Kriminalroman "Die Druckerin", äußerst detailreich und sachkundig geschrieben, überzeugt auf der ganzen Länge. Der Autorin gelingt es, ein überzeugendes Bild vom Alltag der osteuropäischen Chassidim des achtzehnten Jahrhunderts zu zeichnen. Der Roman besticht nicht nur durch Authentizität, sondern vermag auch mit einer packenden, lebensnah geschilderten Handlung zu fesseln. Dass die Historikerin Ruth Berger darin sowohl eine sichere Kenntnis jüdischen Alltags und Schrifttums als auch ein hervorragendes erzählerisches Talent beweist, macht die Lektüre um so vergnüglicher.

Ein geheimnisvolles kabbalistisches Buch, der "Garten der Lilien", das seinem Verfasser Zwi Hirsch Tschernobyler, einem Mitbewohner der damaligen Studiengemeinschaft des Klausners, weit über die Grenzen seiner polnischen Heimat hinaus Ruhm eingebracht hat, erweist sich im Laufe der Handlung als Dreh- und Angelpunkt des Komplotts. Aus Briefen und Zeugenaussagen setzt Blume Liebes Stück für Stück das Bild seiner Entstehungsgeschichte zusammen, wobei stets neue überraschende Aspekte auftauchen, die das Leben der Mystikergemeinschaft immer wieder in anderem Licht erscheinen lassen. Diese Erzähltechnik, die fünfzehn Jahre zurückliegenden Vorgänge aus den verschiedensten Blickwinkeln zu erzählen, gibt der Autorin nicht nur die Möglichkeit, viele Aspekte des jüdischen Lebens im achtzehnten Jahrhundert zu beleuchten, sondern macht darüber hinaus klar, wie unterschiedlich subjektive Wahrheiten sein können und wie schwierig es ist, in einem Klima von Misstrauen, Eifersucht und frömmelndem Geltungsstreben zwischen wahr und falsch zu unterscheiden - in den himmlischen Dingen ebenso wie in den irdischen.

Ein bemerkenswerter Roman, den man uneingeschränkt empfehlen kann; einmal angefangen, fällt es schwer, ihn wieder aus der Hand zu legen. Und es gibt wohl kaum ein besseres Kompliment, das man einem Roman machen könnte.

Frank Hoese



Taschenbuch | Erschienen: 01. April 2005 | ISBN: 3499239035 | Preis: 8,90 Euro | 443 Seiten | Sprache: Deutsch

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