Gesamt |
|
Aufmachung | |
Humor | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Wenn die Hunde der britischen Königin den Bücherbus ankläffen, dann kann sie, wohlerzogen wie sie ist, nicht umhin, sich für das Betragen der Hunde zu entschuldigen - und sich im Anschluss aus purer Höflichkeit ein Buch auszuleihen. Und so kommt es, wie es kommen muss: Die Königin verfällt der Literatur. So holt sie den belesenen Küchenjungen Norman als Pagen in den Palast, um sie bei ihrer Lektürewahl zu beraten. Ihr Privatsekretär Sir Kevin ist alles andere als begeistert, aber es kommt noch schlimmer: Die Königin begegnet ihren repräsentativen Aufgaben widerwillig, liest in der Kutsche, statt den Menschen zuzuwinken und schützt gar Erkältungen vor, um ein Buch zu lesen statt einen Termin wahrzunehmen. Besucher werden nicht mehr nach ihrer Anreise befragt, sondern nach ihrer aktuellen Lektüre. Den französischen Präsidenten fragt sie auf einem abendlichen Staatsbankett nach dem Skandalschriftsteller Jean Genet aus, und der ist alles andere als vorbereitet auf solch ein Thema.
So wird aus der stets pflichtbewussten Königin, die, um niemanden auszugrenzen, weder Interessen noch Neigungen zeigt, eine begeisterte Verfechterin des Lesens. Das wird nicht überall gerne gesehen, ganz im Gegenteil ist der gesamte Hofstaat in Aufruhr angesichts der bedrohlichen Veränderungen, die das königliche Lesevergnügen nach sich zieht. Doch sie alle wissen nicht, dass es noch schlimmer kommen kann - und wird.
Gerademal 115 Seiten umfasst die Geschichte des erfolgreichen britischen Dramatikers Alan Bennett über die lesende Queen, die in der klassisch gestalteten Reihe
SALTO des Wagenbach Verlages erschienen ist. Feinsinnig, elegant und mit unvergleichlich britischem Humor nimmt sich der Autor der Monarchie an und ist dabei so charmant, dass aus der britischen Queen, die zumeist als spröde und emotionslos gesehen wird, eine intelligente, sympathische und humorvoll-listige Königin wird. So ist dieses Buch nicht nur eine Hommage an das Lesen, sondern zugleich eine an die Queen. Alan Bennett schreibt so unterhaltsam und witzig, dass er den Leser bereits auf den ersten Seiten gefesselt hat. Das Buch wird erst wieder aus der Hand gelegt, nachdem es durchgelesen ist, was bei 115 Seiten zugegebenermaßen - und unglücklicherweise - nicht allzu lange dauert. Alle, die dem Lesen ebenso verfallen sind wie die Queen, finden hier Betrachtungen über Bücher und die Macht der Literatur. Die sind so wunderbar eingebunden in die Geschichte und in die Entwicklung der Queen, dass sie an keiner Stelle aufgebläht erscheinen oder den Eindruck reinen Selbstzwecks erwecken. Das schließlich ist die große Kunst, die Alan Bennett hier an den Tag legt: nämlich leicht und schwebend, humorvoll und voller Lebensfreude, intelligent und wortgewandt eine Geschichte zu erzählen, in der jedes Wort sitzt, in der die Entwicklung der Protagonistin nachvollziehbar ist und in der die Wahl derselben nicht besser hätte sein können.
Very british! Und sehr zu empfehlen.