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Was ist schöner, als es sich in der kalten Jahreszeit bequem zu machen, sich in einen Sessel zu kuscheln und ein gutes Buch in die Hand zu nehmen? Mit dem vorliegenden Buch "Eiszeit - drinnen und draußen" soll an dieser Gemütlichkeit gerüttelt werden. 24 Kurzgeschichten laden den Leser ein, sich die Zeit mit düsteren Geschichten rund um die Adventszeit und Weihnachten zu vertreiben. Der Titel der thematisch zusammengestellten Anthologie spiegelt klar den Inhalt der Geschichten wider: Es geht um die kalte Zeit im Dezember, und es geht um die innere Kälte der Menschen, die sich in den verschiedensten Formen ausdrücken kann. In der vorliegenden Sammlung werden vielfältige Möglichkeiten dieser emotionalen Frostigkeit beleuchtet und dargestellt. Dabei beläuft sich die Anzahl der Geschichten auf die Zahl an Tagen des Dezembers, bis Weihnachten vor der Tür steht - gewiss eine Absicht. So wird die kälteste Zeit im Jahr aus denkbar verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.
Das wohl Interessanteste an der Zusammenstellung dieser 24 Kurzgeschichten ist die Unvorhersehbarkeit des Dargebotenen. Der eisige Geschichtencocktail hat nämlich einiges zu bieten: Es gibt dramatische, respektive tragische Inhalte wie in "Weil
ich es will" von Julia Bauer, die jüngste der in dieser Sammlung vertretenen Autoren, und in "Die Nacht, als das Rentier starb" von C. J. Walkin. Humorvoll-sarkastische Sichtweisen bieten uns beispielsweise die Geschichten "Schriller die Nerven nie klingen" von OdeeN, der mit richtigem Namen Olaf D. Nägele heißt, oder "Die Invasion - eine Weihnachtsgeschichte" von Stefan Pürner, die interessanterweise aus Sicht einer Zweijährigen geschrieben ist. Das Makabre findet in der Gestalt von "Dorothea" von Stephan Peters ebenso seinen Platz in der Anthologie, wie in der Geschichte "Mein Mann ist explodiert ..." von Markus Kastenholz. Auch wird den seelischen Abgründen in ihren unterschiedlichsten Ausdrucksformen Platz eingeräumt, sei es in "Eiszeit" von Hildegard Kohnen, die der Anthologie ihren Namen gibt, oder sei es in der bitterbösen Geschichte "Das Nikolaus-Syndrom" von Thomas Schweisthal. Und was wäre eine solche Anthologie ohne eine klassische Gespenstergeschichte? Alexander Amberg mit "Die Tür hinter dem Weihnachtsbaum" sorgt hier mit einem Ehepaar, das Weihnachten in einem englischen Landhaus verbringt, in dem es offenbar spukt, für den kleinen Grusel.
Jeder der Geschichten ist eine knappe Biographie des Autors vorangestellt, die sich hauptsächlich darauf bezieht, ob und wo der Autor beziehungsweise die Autorin bereits veröffentlicht hat.
Zunächst einmal muss erwähnt werden, dass das Lektorat leider nicht sorgfältig gearbeitet hat. Zwar wird der Leser darauf hingewiesen, dass bei den Geschichten sowohl alte als auch neue Rechtschreibung - auf Wunsch des jeweiligen Autors - vorkommen; trotzdem finden sich in sämtlichen Geschichten Fehler in Zeichensetzung und Rechtschreibung, gleichgültig ob neue oder alte. Das trübt den Lesespaß vieler Geschichten, vor allem bei denjenigen, die ein vielversprechendes Potenzial aufweisen und mehr zu unterhalten wissen als andere. Abgesehen davon, dass es für den Leser anstrengend ist, zwischen zwei verschiedenen Rechtschreibungen zu wechseln, kommt das inkonsequente Lektorat erschwerend hinzu.
Insgesamt ist in "Eiszeit - drinnen und draußen" für jeden Geschmack etwas dabei. Wer für eins der genannten Genres weniger übrig hat, muss sich also mit den übrigen Geschichten begnügen. Es gibt keine thematische Gliederung der angeschnittenen Genres, was eine persönliche Selektion schwierig gestaltet, andererseits den Überraschungseffekt steigert. In dieser Hinsicht funktionieren die Kurzgeschichten wie Wundertüten: Vor dem Lesen hat man noch keine Ahnung, in welche Richtung die Handlung strebt, nur selten geben einem die Titel einen eindeutigeren Hinweis - zu häufig finden sich Überschriften aus dem semantischen Feld von Weihnachten, die meistens das Genre verbergen, dem der Inhalt zuzuordnen ist.
Die meisten der Geschichten, die zwischen zwei und vierzehn Seiten Umfang haben, sind nette Unterhaltung für zwischendurch - nur eine einzige Geschichte, nämlich die Auftaktstory "Die Tür hinter dem Weihnachtsbaum", umfasst mehr als zehn Seiten. Damit bietet die Anthologie dem Leser leichte, unbeschwerte Kost, die schnell und ohne großen Zeitaufwand genossen werden kann. Allerdings sind die meisten Geschichten nach dem Lesen schnell wieder aus dem Gedächtnis verbannt. Zu wenige hinterlassen einen nachhaltigeren Eindruck als das kurzweilige Vergnügen. Wäre das schlechte Lektorat nicht, wäre "Eiszeit - drinnen und draußen" trotz der eher oberflächlichen Unterhaltung durchaus eine dringendere Empfehlung wert.