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Die Bilder- und Begriffswelt der Religion war vor allem in früheren Zeiten allgegenwärtig, kein Wunder also, dass innovative Köche und Konditoren gern auf sie zurückgriffen, wenn es galt, neue Kreationen aus dem Bereich der Küche zu benennen.
Hundert solche Rezepte findet man in diesem Buch, aufgeteilt in vier Kategorien.
Teil I, "Verheißungen", enthält Vorspeisen und kleine Gerichte, darunter "Engel zu Pferde", nämlich ausgelöste Austern im Speckmantel auf Weißbrot, "Teufel zu Pferde" in Form von scharf gewürzten, gefüllten und mit Speck umhüllten Pflaumen auf Weißbrot, und Kardinalssuppe, die wie die Kirchtagssuppe den Menschen der letzten Generationen kulinarischen Genuss an Sonn- oder Feiertagen bot.
Teil II wartet mit "Offenbarungen" auf, bodenständig-köstlichen oder auch extravaganten Hauptgerichten, nach der Grundzutat sortiert. "Dicke Bohnen aus der Pfarrhausküche", "Kirchweihente" (ähnelt dem relativ bekannten Rezept "Ente à l?orange"), "Pfaffenstück", eine leckere Schmortopfvariante, "Seeteufel Lucifer" oder auch Anleihen aus dem Italienischen, zum Beispiel "Pasta al Pastore" mit Schinken, Oliven und feinen Kräutern, "Pasta Angelo" und "Pizza Diabolo" setzen ganz unterschiedliche Akzente.
Die "Versuchungen" aus Teil III sind (natürlich?) süß. "Besoffene Kapuziner" kennen viele, ebenso natürlich Götterspeise, die hier aber komplett selbst gemacht wird und daher wirklich himmlisch schmeckt. Weniger bekannt dürften der leckere "Himmlische Schlamm" und die im Titel erwähnten "Nonnenfürzchen" sein - worum es sich dabei handelt, wird hier nicht verraten.
In Teil IV findet man "Spirituelles". Diese ebenfalls teils mehr, teils weniger bekannten Rezepte lassen das Herz jedes Barkeepers höher schlagen, selbst wenn er Atheist sein sollte!
Wer bisher dachte, das typische Attribut des Teufels sei Schwefel, muss angesichts dieses Kochbuchs umdenken: Der Teufel ist eindeutig mit Chili und Cayennepfeffer assoziiert. Anders ausgedrückt, es brennt gewaltig in der Hölle, aber es stinkt nicht.
Das Kirchenpersonal wiederum hat, zumindest auf der Führungsebene - zum Beispiel "Pfaffen" und Kardinäle -, viel Sinn für Opulentes und Extravagantes; Rezepte rund um das Kloster greifen eher auf einfache Zutaten und raffiniertes Würzen zurück. Nicht umsonst hegten und pflegten Mönche und Nonnen ihre Kräutergärten.
Rezepte aus dem Bereich der kirchlichen Feiertage sind ganz unterschiedlicher Natur, an Kirchweih, Weihnachten und Ostern wird üppig getafelt, während man am Aschermittwoch, die Fastenzeit über und besonders am Karfreitag ein bisschen tricksen muss, um den kirchlichen Geboten zu gehorchen und trotzdem zu genießen: Die köstliche Fastenkräutersuppe hat nichts mit Selbstkasteiung zu tun.
Manche Rezepte aus diesem Buch verbinden auch typische Attribute von Heiligen und biblischen Figuren mit Bestandteilen oder Aussehen der Gerichte; dass für einen gespickten Rehrücken St. Sebastian Pate steht, der mit Pfeilen gemartert wurde, liegt durchaus nahe.
Der kirchliche Bezug mancher Gerichte des Buchs ist freilich ziemlich an den Haaren herbeigezogen, zum Beispiel bei Hirtensalat und Kalbsvögerln, und der "Ohnmächtige Priester" wurde dem islamischen Kulturkreis entlehnt, wo er "Imam bayildi" heißt.
Doch der Großteil der Gerichte hat in der Tat einen offensichtlichen, engen Bezug zur Kirche, manchmal ernsthaft und unmittelbar wie bei den Rezepten für Feiertage, manchmal aufgrund der Köstlichkeit, die himmlischen Ursprungs zu sein scheint, oder der herausfordernden Schärfe, die mit Fug und Recht teuflisch genannt werden kann - und gelegentlich auch karikierend oder einfach lustig wie beim "Eisgekühlten Bischof", den erwähnten "Nonnenfürzchen" und den "Besoffenen Kapuzinern".
Das Buch ist ansprechend übersichtlich aufgemacht. Zu jedem Rezept findet man eine Zutatenliste und eine unkomplizierte Koch- oder Backanleitung, oftmals auch Hinweise zum Ursprung des Rezepttitels. Fotos der Gerichte gibt es nicht, dafür aber ausgesprochen originelle, auf die Rezepttitel Bezug nehmende Illustrationen, die allein schon das Durchblättern wert sind.
Abgesehen von der amüsanten Grundidee, Rezepte mit religiösem Bezug für ein Kochbuch zu verwenden, handelt es sich bei "Himmlische Genüsse" um eine interessante, abwechslungsreiche Rezeptesammlung, die für jeden Geschmack etwas bietet, ob bodenständig oder extravagant, ob streng traditionell oder dank ein wenig Aufpeppens auch mal ausgefallen. Daher ist dieses Buch für mehr oder weniger Fromme ebenso wie für humorvolle Genießer sehr zu empfehlen.