Die Bibel ist das Buch, auf dessen Inhalte sich alle Christen berufen. Auch Kinder, die mit einem christlichen Hintergrund erzogen werden, sollten die Heilige Schrift ihrer Religion kennen. Doch das "Buch der Bücher" erweist sich schon für theologisch weniger versierte Erwachsene als schwierig; umso problematischer kann es sein, Kindern zentrale biblische Geschichten nahezubringen, die sich nur schwer verstehen lassen. Als Beispiele seien Gottes Aufforderung an Abraham genannt, seinen Sohn Isaak zu opfern, der Umstand, dass Jakob nicht nur von seinen beiden (!) Ehefrauen, sondern auch von deren Mägden Kinder hat, und die Hochzeit von Kana, während der Jesus seine Mutter Maria äußerst grob anfährt.
Die vorliegende Kinderbibel schildert die biblischen Ereignisse, beginnend mit der Schöpfung bis hin zu den paulinischen Reisen und der Offenbarung, auf möglichst kindgerechte Weise. Sämtliche wichtige Erzählungen aus dem Alten Testament sind enthalten und geben ausführlich die Entwicklung von Adam und Eva über den Einzug ins Gelobte Land bis hin zur babylonischen Gefangenschaft wieder, ebenso treten aber auch weniger zentrale, reizvolle Geschichten in Erscheinung, darunter jene von Ruth und Naomi, von Ester (die doch sehr schaurig-blutrünstige Episode um Judith und Holofernes entfällt hingegen) und von einzelnen Propheten.
Die Nacherzählung des Neuen Testaments umfasst etwas mehr als ein Drittel des Buchs und ist natürlich ebenso wenig vollständig wie jene des Alten Testaments. Es wurden vor allem die zentralen Begebenheiten, etwa die Bekehrung des Zöllners, einige Wunder, die Vertreibung der Händler aus dem Tempel und die Bergpredigt, sowie die wichtigsten Gleichnisse und bedeutende Ereignisse unmittelbar nach Christi Auferstehung, wie sie in der Bibel verzeichnet sind, aufgenommen. So entsteht ein repräsentativer Überblick über Jesu Leben und Wirken und die erste Zeit der jungen Kirche.
Das Buch enthält ein Verzeichnis der wichtigsten Persönlichkeiten der Bibel mit jeweils kurzen Erklärungen sowie ein recht gründliches Register.

Die biblischen Geschichten werden in dieser auf Kinder zugeschnittenen Aufbereitung spannend und teilweise ein wenig "entschärft" oder bereits behutsam interpretiert dargeboten, sodass eine verstörende Wirkung nicht zu erwarten ist. Im Gegenteil, es entsteht vor dem inneren Auge eine kontinuierliche Geschichte Gottes und seines Volkes, wie sie das Alte Testament ja eigentlich auch darstellt. Gottes Zuverlässigkeit steht im Gegensatz zur Wankelmütigkeit der Menschen, die zum Beispiel während Moses’ kurzer Abwesenheit ein goldenes Kalb herstellen, das sie dann als Götzen verehren. Die Leser beziehungsweise Zuhörer (wenn das Buch vorgelesen wird) erfahren jedoch auch, dass es sich bei diesem Kalb vermutlich um eine Variante des ägyptischen Stiergottes Apis handelte, den die Juden aus ihrer Zeit in Ägypten kannten.
Überhaupt bietet das Buch eine Fülle von Hintergrundinformationen, die in den Randspalten untergebracht sind. Den Kindern erschließen sich auf diese Weise das Denken und Empfinden der Juden des Alten Testaments, ihr Alltag, ihre Kultur und die ständige Bedrohung durch kriegerische Nachbarvölker. Dadurch werden manche auf den ersten Blick verwirrende Aspekte der Bibel besser verständlich. Dasselbe gilt für das Neue Testament, dessen Welt für den modernen Betrachter kaum weniger befremdlich erscheint. Auch hierzu findet man überaus nützliche Erläuterungen.
Die zahlreichen Illustrationen, teils Fotos, teils Zeichnungen, illustrieren sowohl die als Hintergrundwissen angebotenen Fakten in den Randspalten als auch die eigentlichen biblischen Geschichten. Sie tragen vorzüglich zum Textverständnis bei.
Es gibt nur ein Manko bei diesem Buch: Die Schriftgröße ist eine Zumutung für den Leser, ob für vorlesende Erwachsene oder für Kinder. Eine solch winzige Schrift sollte man allenfalls und mit einigem Zögern für Fußnoten verwenden; hier bestimmt sie den gesamten Text und wirkt daher rasch ermüdend, selbst auf gesunde Augen. Irritierend wirken auf Erwachsene auch einige Namensschreibungen, etwa "Noomi" statt der gewohnten "Naomi" und "Ester", "Goliat" und viele weitere ohne h.
Inhaltlich und bezüglich der Illustrationen ist das Buch somit sehr gelungen, und das geringe Format und Gewicht machen es zu einem guten Begleiter für Kinder. Ob man diesen oder sich selbst als Vorleser auf Dauer eine Neun-, vielleicht gar Achtpunktschrift zumuten möchte, sei den Eltern und anderen potenziellen Schenkenden überlassen.


Nachtrag: Wer bereit ist, etwas mehr Geld zu investieren, interessiert sich vielleicht für die größere Originalausgabe mit der ISBN 9783894372927.